Siegelement der Uni Freiburg in Form eines Schildes

Archivschenkung: Illustrierten-Presse der DDR jetzt nahezu vollständig in der Universitätsbibliothek Freiburg verfügbar

Freiburg, 20.05.2025

Dirk Schindelbeck übergibt das von ihm aufgebaute Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv Freiburg (KWAF) an die Universitätsbibliothek. Im Interview spricht er über die Entstehung des Archivs, die dadurch möglich gewordene Forschung sowie seinen Entschluss zur Schenkung.  

Eine Ansammlung von alten Magazinen.
In den letzten Monaten haben Mitarbeitende der Universitätsbibliothek insgesamt 30 west- und ostdeutsche Publikumszeitschriften, Frauen-, Satire- und Jugendmagazine sowie Werbefachtitel im Umfang von etwa 50 Regalmetern aufbereitet und katalogisiert. Foto: Jörg Blum / Universitätsbibliothek Freiburg

Der Historiker, Germanist und Kulturwissenschaftler Dr. Dirk Schindelbeck übergibt große Teile des Kultur- und Werbegeschichtlichen Archivs Freiburg an die Universitätsbibliothek. Der Bestand wurde seit Mitte der 1980er Jahre von ihm und seinen Autorenkollegen in Eigenregie gesammelt und gepflegt. Durch seine Schenkung steht das Archiv nun Studierenden, Forschenden und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. In den letzten Monaten haben Mitarbeitende der Universitätsbibliothek insgesamt 30 west- und ostdeutsche Publikumszeitschriften, Frauen-, Satire- und Jugendmagazine sowie Werbefachtitel im Umfang von etwa 50 Regalmetern aufbereitet und katalogisiert. „Als Wissenschaftseinrichtung und Gedächtnisinstitution ist es die Aufgabe der Universitätsbibliothek, das ihr anvertraute Sammlungsgut exakt und nachhaltig zu erschließen sowie dauerhaft zu archivieren und zugänglich zu machen“, erklärt Dr. Marcus Schröter, Leiter des Dezernats Historische Sammlungen, Digitalisierung, Bestandserhaltung der Universitätsbibliothek Freiburg. „Wir freuen uns sehr über die Schenkung. Die Sammlung ist sowohl wissenschaftlich als auch bibliothekarisch außergewöhnlich umfassend und eine relevante Erweiterung unserer geisteswissenschaftlichen Primärquellen. Sie ermöglicht nicht nur die Bearbeitung neuer Forschungsfragen an der Universität, sondern wird auch Nutzer*innen aus überregionalen Fach-Communities nach Freiburg locken.“

Ein älterer Herr mit Brille und blauem Anzug

„Die Entstehung des Archivs war der Geschichtswerkstätten-Bewegung geschuldet, die sich vermehrt alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Fragen zuwandte und nicht ausschließlich etablierte Quellen nutzen und auswerten wollte. Da aber damals in den Bibliotheken noch kaum Alltagszeugnisse zu finden waren, mussten wir selbst die Initiative ergreifen.“

Dr. Dirk Schindelbeck

Historiker, Germanist und Kulturwissenschaftler

Das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv Freiburg (KWAF) – Alltagsquellen für die Geschichtswissenschaft

Universität Freiburg: Herr Schindelbeck, das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv Freiburg enthält heute nahezu die gesamte Illustrierten-Presse der DDR. Wie kam es dazu?

Dirk Schindelbeck: Nach meinem Studium an der Universität Freiburg reifte gemeinsam mit meinen Historikerkollegen Rainer Gries und Volker Ilgen Mitte der 1980er Jahre die Idee, ein Archiv aus gedruckten Alltagsquellen zusammenzustellen. Daraus entstand in den folgenden Jahren das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv Freiburg, kurz KWAF. Den Bestand sammelten wir aus Nachlässen von Werbefachleuten und durch private Ankäufe. Eine besondere Rolle spielte dabei das von 1992 bis 1997 von der DFG geförderte Projekt „Propagandageschichte der beiden deutschen Staaten im Vergleich zwischen 1949 und 1971/72“ mit Mitarbeitenden in Freiburg und Leipzig. Es war wohl nur in diesen Wendejahren möglich, dass ein solches Projekt ohne Anbindung zur hiesigen Universität durchführbar war. Mithilfe der DFG-Förderung konnten wir in dieser Zeit den Bestand um DDR-Zeitschriften beträchtlich erweitern. Heute umfasst er neben einer Reihe von westdeutschen Illustrierten hauptsächlich DDR-Titel wie „NBI“ (Neue Berliner Illustrierte), „Freie Welt“, „Das Magazin“, „Jugend und Technik“, die Satirezeitschrift „Der Eulenspiegel“ sowie Frauenillustrierte wie „Frau von heute“, „Sibylle“, aber auch „Kultur im Heim“ und andere mehr.

Universität Freiburg: Das klingt nach viel Eigeninitiative und Engagement. Was hat Sie dabei motiviert, was war Ihr Ziel?

Schindelbeck: Hauptziel des KWAF war es, Alltagsquellen zur Werbegeschichte wie unter anderem Anzeigen, Prospekte oder Flugblätter für die Geschichtswissenschaft zu sichern – natürlich nicht zuletzt, um eigene Texte zu eben diesen Themenfeldern zu verfassen. Die Entstehung des Archivs war der Geschichtswerkstätten-Bewegung geschuldet, die sich vermehrt alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Fragen zuwandte und nicht ausschließlich etablierte Quellen nutzen und auswerten wollte. Da aber damals in den Bibliotheken noch kaum Alltagszeugnisse zu finden waren, mussten wir selbst die Initiative ergreifen. In der Geschichtswerkstatt-Bewegung fanden sich seinerzeit viele selbstorganisierte Forschungsgruppen wie auch Bürger*inneninitiativen fernab der Universitäten zusammen. Dass wir damit auf längere Sicht einen Beitrag leisten würden, hat sich im Rückblick bestätigt. Über die Jahre sind dann zahlreiche kulturhistorische Publikationen, Beiträge in Sammelbänden sowie Artikel für Zeitschriften und Geschichtsmagazine entstanden, die ohne das KWAF nicht möglich gewesen wären.

Universität Freiburg:
Welchen Themen haben Sie sich in Ihrer Arbeit mit dem Archiv hauptsächlich gewidmet?

Schindelbeck: Ein wiederkehrendes Thema in meinen Arbeiten ist die Betrachtung historischer Werbung als Gegenstand der west- und ostdeutschen Mentalitätsgeschichte. Um wirksam zu werden, muss Werbung die Bedürfnisse der Menschen verstehen und verdichten, gleichzeitig kann sie als Propagandainstrument eingesetzt werden – deshalb ist Werbung immer auch Erzählung von Zeitgeist. Gerade anhand von Werbeanzeigen in der DDR, die nicht etwa der Steigerung des Absatzes, sondern der Lenkung der Nachfrage und der Aufrechterhaltung der Versorgungsillusion dienten und somit immer auch Werbung für den Staat machten, können spannende Forschungsfragen untersucht werden.

Universität Freiburg: Die Universitätsbibliothek Freiburg darf sich über die Übernahme des Archivs freuen. Weshalb haben Sie sich für die Schenkung entschieden?

Schindelbeck: Seit der Jahrtausendwende unterhielt ich das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv in alleiniger Trägerschaft. 2023 entschloss ich mich, der Universitätsbibliothek den Bestand an Publikums- und Fachzeitschriften zu schenken. Es ist schön, dass die Sammlung nicht verloren geht oder zerstückelt wird. Außerdem freut es mich sehr, dass sie von nun an der Allgemeinheit zur Verfügung steht und mit ihrer Hilfe zukünftig weiterhin historische Werbe- und DDR-Forschung betrieben werden kann.

Cover einer Zeitschrift aus der DDR
Cover einer Zeitschrift aus der DDR
Cover einer Zeitschrift aus der DDR
Cover einer Zeitschrift aus der DDR
Cover einer Zeitschrift aus der DDR

Weitere Informationen

  • Mehr Informationen zu Dirk Schindelbeck und eine Liste seiner Publikationen
  • Die Universitätsbibliothek hat eine eigene Seite für das Kultur- und Werbegeschichtliche Archiv erstellt
  • Ein Teil der Sammlung ist bereits im Katalog der Universitätsbibliothek Freiburg verfügbar

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