Sprache und Kognition
Im Fokus dieses Schwerpunkts stehen folgende Fragen: Welche kognitiven Mechanismen ermöglichen, dass wir sprachliche Äußerungen verstehen und produzieren? Wie wird sprachliches Wissen erworben, wie ist es kognitiv repräsentiert, und welche mentalen Repräsentationen werden bei der Verarbeitung von Sprache aufgebaut? Wie formen unsere Begriffe – und unsere Sprache generell – die Wahrnehmung unserer Welt?
Wir betrachten Sprache unter einer gebrauchsbasierten, psychologischen Perspektive. Fragestellungen beinhalten so unterschiedliche Themen wie die Verarbeitung syntaktisch komplexer oder semantisch mehrdeutiger Strukturen, implizite Verbkausalität, Dialekt und sprachliche Variation, die Interpretation von Sprache im Kontext, oder die Wahrnehmung von Rhythmus in poetischer Sprache. Die affektive Wirkung von Sprache beleuchten wir in Forschung zu Ironie und Humor, die soziale Wirkung in Forschung zu gender-inklusiver Sprache (genPrak, GENELLI).
Zu unserem experimentellen Instrumentarium gehören behaviorale Methoden, eye-tracking und Studien mit speziellen Populationen. Wir verwenden Large Language Models (LLMs) um die Verarbeitung von Sprache zu modellieren. Die interdisziplinäre Ausrichtung unserer Forschung wird in vielfältigen Kooperationen sichtbar (z.B. Digital Humanities Lab Freiburg; Hermann-Paul-Zentrum für Linguistik, HPCL; Zentrum für Anthropologie & Genderforschung, ZAG; Universitätsklinikum).
Soziale Kognition
Wie wir andere Menschen wahrnehmen, bewerten und daraus soziale Urteile ableiten, ist zentral für das menschliche Miteinander – und zugleich anfällig für systematische Verzerrungen. In zwei Forschungsprogrammen untersuchen wir, welche Verzerrungen in sozialen Kontexten auftreten, wie sie durch implizite und explizite Prozesse beeinflusst werden und wie ihnen gezielt entgegengewirkt werden kann. Beide Linien beleuchten, wie soziale Kategorisierungen nicht nur im Kopf entstehen, sondern durch Sprache, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Strukturen mitgeprägt werden.
Ein Projekt widmet sich dem Einfluss algorithmisch gesteuerter Inhalte in sozialen Medien, die soziale Wahrnehmung verzerren und Polarisierung fördern können (Social-PICC). Im Mittelpunkt steht, wie sich verändernden Sichtbarkeit und fremdgesteuerte Auswahl von Inhalten die Wahrnehmung von Gruppen und die Grenzen zwischen ihnen formen. Ziel ist es, Mechanismen zu identifizieren, die eine Verschärfung von Stereotypen begünstigen, und darauf aufbauend Strategien zu entwickeln, die Vielfalt sichtbar machen und Polarisierung entgegenwirken.
An der Schnittstelle zwischen Genderforschung, Linguistik und Psychologie beschäftigen wir uns mit dem Verstehen und der Wirkung von gender-inklusiver Sprache. Sprache wird dabei als soziales Signal gesehen, das Wissen und Erwartungen über Geschlechterverhältnisse transportiert. Im Projekt genPrak untersuchen wir die Verständlichkeit und Interpretation des Gendersterns, und im Projekt GENELLI das Wechselspiel zwischen geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen, psychologischen Stereotypen und realen Geschlechterverhältnissen.
Methodisch verbinden wir experimentelle Studien, Corpusanalysen und computergestützte Modellierungen, um soziale Kognition messbar, modellierbar und verstehbar zu machen.
Raumkognition und Mobilität
Ein etabliertes Forschungsgebiet der Abteilung für Kognitionswissenschaft liegt im Bereich der Raumkognition. Mit Raumkognition ist der Einfluss von räumlichen Strukturen und Konfigurationen auf menschliches Verhalten und Erleben gemeint. Konkret hat unsere Abteilung sich z.B. mit der Navigation in komplexen Gebäuden oder der Rolle von Landmarken beim Enkodieren und Erinnern von Routen beschäftigt.
Weiterhin untersuchen wir Zusammenhänge von Kognition und Raum bei vulnerablen Verkehrsgruppen im Stadtverkehr. Dr. Rul von Stülpnagel erforscht die subjektive Gefahrenwahrnehmung beim urbanen Radfahren: Welche räumlichen Eigenschaften tragen dazu bei, dass eine Straßensituation als gefährlich wahrgenommen wird? Und deckt sich dieser Eindruck auch mit der Wahrscheinlichkeit, hier in einen Unfall verwickelt zu werden? Weiterhin untersucht er, wann und warum es zu Regelverstößen von und gegenüber Radfahrenden kommt. Wir nehmen an, dass diese Verstöße nicht nur aus Rücksichtlosigkeit oder mangelnder Regelkenntnis entstehen, sondern als eine aus individueller Perspektive gerechtfertigte Reaktion auf eine als gefährlich, unzumutbar oder uneindeutig wahrgenommene Situation.