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Biomechanische Untersuchung turnerischer Bewegungen

Biomechanische Methoden und Technologien sind wesentlicher Bestandteil sportwissenschaftlicher Forschung. Die Vermittlung der Anwendung dieser Methoden gehört daher längst auch zum Inhalt der Grundvorlesungen und Vertiefungsmodule des Sportstudiums. Für viele Studierende bleiben diese Methoden über das Studium hinweg aber wenig greifbar, da viele den unmittelbaren Kontakt und die konkrete Mitarbeit im biomechanischen Labor scheuen. Um den Studierenden eine häufig angewandte Technologie dennoch näher zu bringen, wurde diese im Rahmen des IDA-geförderten Projekts „DoppelfOERderung – Lernen und Lehren an und mit Geräten“ vor Ort gefilmt und anschließend anschaulich und gut verständlich aufbereitet.

“Schneller, höher, weiter” – so lauten meist die Ansprüche an Top-Athleten im Leistungssport. Betrachtet man jedoch die Leistungsentwicklung im zeitlichen Verlauf, so stellt man fest, dass die sportliche Leistungsfähigkeit des Menschen limitiert zu sein scheint. Immer wieder kommt es zu neuen Weltrekorden, jedoch werden die Leistungssteigerungen immer kleiner, sodass wir uns in vielen Sportarten einem bislang unbekannten Maximum langsam annähern. Dies hat zur Folge, dass der Einfluss von Technologie immer bedeutender wird, da man sich durch technologischen Fortschritt weiteres Potenzial erhofft, um auch weiterhin neue Weltrekorde feiern zu können. Neben der Weiterentwicklung von Sportequipment ergeben sich auch im Bereich der Bewegungs- und Datenanalyse neue Möglichkeiten, um Bewegungen noch detaillierter zu untersuchen und diese Erkenntnisse schlussendlich im Training zur Leistungsoptimierung nutzen zu können.

Zur Demonstration der vielfältigen Chancen und Möglichkeiten wurde im Rahmen des IDA-Projekts eine dreidimensionale Bewegungsanalyse turnerischer Bewegungen durchgeführt.

Institutsleiter Prof. Dr. Albert Gollhofer gibt im folgenden Video eine kurze Einführung:

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Verwendet wurde das 3D-Bewegungsanalysesystem VICON, eine Kraftmessplatte und das EMG-System XY zur Aufzeichnung der Muskelaktivität. Das markerbasierte System von VICON besteht aus 10 Kameras, die gleichmäßig im Raum verteilt und auf den Messbereich ausgerichtet sind. Diese Kameras senden Infrarotsignale, die von Markern reflektiert und von den Kameras wiederaufgenommen werden.

Die Nutzung mehrerer Kameras ermöglicht es, die Position jedes einzelnen Markers im Raum hochpräzise aufzuzeichnen. Die reflektierenden Marker wurden an anatomisch relevanten Stellen des Körpers positioniert, um daraus anschließend das Skelett der Turnerin rekonstruieren zu können.

Gleichzeitig wurde die Bewegung auf einer Kraftmessplatte durchgeführt, sodass die dabei auftretenden Bodenreaktionskräfte ebenfalls ermittelt wurden. Zusätzlich wurde die Muskelaktivität vier relevanter Muskeln der unteren Extremitäten mittels EMG (Elektromyografie) erfasst. Hierfür wurde jeweils ein Elektrodenpaar auf dem jeweiligen Muskel platziert. Alle Signale wurden mithilfe einer Computersoftware (Nexus) zeitlich synchron eingezogen, um diese anschließend analysieren zu können. 

Im Anschluss an die Aufnahmen wurden die Daten aufbereitet, um daraus einen Report zu generieren. Dieser beinhaltet eine Videosequenz bei der ein Avatar die turnerischen Bewegungen ausführt. Die Simulation ermöglicht es, die Bewegung des Avatars aus allen Richtungen und Blickwinkeln zu betrachten und diese auch während des Videos zu verändern. Durch das zugrundeliegende biomechanische Modell ist es zudem möglich Kräfte, Momente, Winkel und Geschwindigkeiten der einzelnen Körpersegmente etc. zu extrahieren. Außerdem können Bodenreaktionskräfte und Muskelaktivitäten einzelner Muskelgruppen synchron zur Bewegung dargestellt und quantifiziert werden. 

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Somit bietet diese Technologie nahezu endlose Möglichkeiten eine Bewegung zu analysieren, um daraus neue Erkenntnisse zu generieren. Im Hinblick auf die Entwicklungen im Leistungssport ist abzusehen, dass derartige Technologien in Zukunft eine große Rolle spielen werden.

Dr. Flavio Bessi

Wissenschaftlicher Angestellter, Institut für Sport und Sportwissenschaft

Lars Breuning

Wissenschaftliche Hilfskraft, Institut für Sport und Sportwissenschaften