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Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?

Studienkrisen und Studienabbrüche in den Fächern Biologie und Politikwissenschaft

Die Studienentscheidung ist eine der wichtigsten und weitreichendsten Entscheidungen in Hinblick auf die eigene Zukunft. Studieninteressierte konnten an der Universität Freiburg im Wintersemester 2019/2020 aus 116 Bachelor- und Staatsexamensstudiengängen den passenden für sich auswählen. Die meisten Studierenden werden im Laufe ihres Studiums aber auch einmal an ihre Grenzen kommen, denn studieren bedeutet auch Herausforderung der eigenen Fähigkeiten – durchhalten, leistungsbereit sein und Selbstdisziplin zeigen. Schlechte Noten und nicht-bestandene Prüfungen können jedoch erste Zweifel aufkommen lassen:  Studiere ich das Richtige?

Auf Grundlage der Studierendenbefragung 2019 und der Befragung der Exmatrikulierten (2017, 2018, 2019) werden exemplarisch die Fachbereiche der Biologie und der Politikwissenschaft (Bachelor) ausgewählt, um (potentielle) Abbruch- oder Wechselgründe zu identifizieren und unterschiedliche Bedürfnisse der Studierenden hervorzuheben. Dabei zeigt sich, dass ein Viertel der befragten Biologiestudierenden und 13 Prozent der Politikstudierenden eine Exmatrikulation oder einen Fachwechsel in Betracht ziehen. Studienzweifler*innen der Biologie benennen in etwa 22 Prozent der Fälle die Studienanforderungen, in 22 Prozent der Fälle persönliche Motive und in über der Hälfte der Fälle (knapp 55 Prozent) beruflichen Orientierung als potentielle Gründe das Studienfach zu wechseln oder das Studium abzubrechen. In der Politikwissenschaft sind Studienbedingungen in knapp 18 Prozent der Fälle ausschlaggebend für die Erwägung das Studium zu wechseln oder abzubrechen. Zu gleichen Prozentsätzen (knapp 27 Prozent) wird eine Exmatrikulation oder ein Fachwechsel aufgrund der Studienanforderungen, der beruflichen Orientierung oder persönlichen Motiven in Erwägung gezogen.

Studienzweifel sind in beiden Fachgruppen vor allem in den ersten beiden Fachsemestern präsent. So zeigt sich, dass knapp 40 Prozent der Studienzweifler*innen in der Biologie und knapp 55 Prozent der Studienzweifler*innen der Politikwissenschaften sich derzeit in den ersten beiden Fachsemestern befinden. In der Biologie sind die ausschlaggebende Gründe vor allem auf die Studienanforderungen zurückzuführen. Im vierten Semester ist vor allem die berufliche Orientierung dafür verantwortlich, dass die Studienentscheidung infrage gestellt wird. Zudem zeigt sich, dass Studienzweifler*innen in beiden Fachbereichen alle Items der Gesamtzufriedenheit im arithmetischen Mittelwert schlechter bewerten als Studierende, die nicht über einen Fachwechsel oder Abbruch nachdenken. Im Mittelwert (Politikwissenschaft: 2,9; Biologie: 2,7) geben Studienzweifler*innen häufiger an, dass das Studium an der Universität Freiburg nicht ihren Erwartungen entspricht. Studierende, die über keinen Abbruch oder Wechsel nachdenken, stimmen im Mittelwert (Politikwissenschaft: 2,0; Biologie: 1,9) eher zu, dass das Studium den Erwartungen entspricht.

Bei den Exmatrikulierten (sogenannter Schwund) wird zwischen Studienfachwechsler*innen, Hochschulwechsler*innen und „echten“ Abbrecher*innen differenziert. „Echte“ Abbrecher*innen (Studierende, die angeben, das Studium abzubrechen und keine Intention haben wieder zu studieren) machen nur einen sehr geringen Teil der Exmatrikulierten aus (in beiden Fachgruppen knapp 15 Prozent). Die Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, dass die größte Gruppe des Schwunds, in der Fachgruppe Biologie, der Hochschulwechsel darstellt. In der Politikwissenschaft wird der größte Anteil des Schwunds durch Fachwechsler*innen bestimmt.

Nach vier Semestern befinden sich in beiden Fachgruppen noch etwa 60 Prozent der Studienanfänger*innen der Studienanfangskohorte im Studiengang. Die Studieneingangsphase konnte hierbei als besonders kritische Phase identifiziert werden: Etwa die Hälfte aller Abbrecher*innen und Fachwechsler*innen vollzieht die Exmatrikulation oder den Fachwechsel nach den ersten beiden Semestern. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass ehemalige Studierende beider Fachbereiche überwiegend Gründe, welche den Studienbedingungen oder der beruflichen Neuorientierung zuzuordnen sind, eine Rolle bei der Abbruch- oder Wechselentscheidung zuweisen. Motive, welche die Studienanforderungen betreffen, spielen eine moderate oder keine Rolle bei der Abbruch- und Wechselentscheidung. Auch familiären oder persönlichen Problemen wird nahezu keine Rolle beigemessen. Ehemalige Studierende geben an, dass schlechte Arbeitsmarktchancen (Biologie), kein Interesse an den Berufen, die das Studium ermöglicht (Biologie) und die Entwicklung neuer fachlicher Interessen (Politik) eine Rolle bei der Abbruch- und Wechselentscheidung gespielt haben. Findet die Exmatrikulation oder der Fachwechsel aufgrund beruflicher Neuorientierung oder persönlichen beziehungsweise familiären Problemlagen statt, verdeutlichen die Aussagen der (ehemaligen) Studierenden, dass die Universität auf die Abbruch- oder Wechselentscheidung nur einen geringen Einfluss hat. Die Studierenden beider Fachbereiche brechen das Studienfach ab oder wechseln das Hauptstudium, weil die Erwartungen, die sie an das Studium gestellt haben, nicht erfüllt werden. Enttäuschte Vorstellungen können dabei das Studium allgemein (Bildungsentscheidung) oder das gewählte Studienfach betreffen.

Ein nennenswerter Abbruchgrund von ehemaligen Biologiestudierenden ist der hohe Aufwand für die Fächer Physik, Chemie und Mathe, der auch oftmals vor Studienbeginn nicht erwartet wurde. In besonders hohem Maße werden in der Biologie auch Abbruch- und Wechselgründe angeführt, die aufgrund einer beruflichen Neuorientierung erfolgen. Laborarbeiten prägen das Verständnis späterer beruflicher Möglichkeiten nachhaltig. Aufgrund des hohen Anteils von Laborpraktika entsteht für Biologiestudierende der Eindruck, dass der Arbeitsmarkt nur Chancen in diesem Bereich bietet. Auch die Studiengangkoordinatorin bestätigt den Eindruck, dass sich Studierende der Biologie nur bedingt andere berufliche Tätigkeiten unter dem Arbeitsbereich von Biolog*innen vorstellen können und die Vorstellungen, dass Biolog*innen auch außerhalb des Labors tätig sein können, eingeschränkt sind.

In der Fachgruppe Politikwissenschaft spielt der fehlende Berufs- und Praxisbezug eine Rolle bei den Abbruch- beziehungsweise Wechselgründen. Politikwissenschaft sei laut der Studien-gangkoordinatorin ein abstrakter Studiengang, bei dem sich Studierende nur schwer vorstellen können, welche Chancen ihnen der Arbeitsmarkt bietet. Gleichzeitig sind auch Abbruch- oder Wechselgründe relevant, die mit einer neuen Entwicklung von fachlichen Interessen einhergehen.

Gerade Studienanfänger*innen zweifeln an der Studienentscheidung oder der Fächerwahl. Umso wichtiger ist es deshalb, auf diese spezifische Bezugsgruppe einzugehen und Unterstützungsangebote zu schaffen, um eine erfolgreiche Integration an der Universität zu gewährleisten (Orientieren – Ankommen – Innovieren – Optimieren). Das „Freiburger Modell zum erfolgreichen Studienstart“ berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse, die zu Beginn des Studiums oder bereits bei der Studienentscheidung auftreten (mehr Infos unter: https://www.lehrentwicklung.uni-freiburg.de/LE/strukturmodelle-in-der-studieneingangsphase/strukturmodelle-in-der-studieneingangsphase)

Die Daten wurden im Rahmen meiner Masterarbeit ausgewertet. Zusätzlich wurden auch die eingesetzten Fragebögen kritisch betrachtet, wodurch sich Verbesserungspotentiale für kommende Erhebungen erkennen lassen. Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an: anna-lena.huber@zv.uni-freiburg.de oder an die Abteilung Qualitätsmanagement in Studium und Lehre (befragung@uni-freiburg.de) wenden.

Anna-Lena Huber, M.A.

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