Freiburg, 07.05.2025
Planbare Stellen auch jenseits einer Professur, Führungsverantwortung, Vielfalt bei der Personalauswahl: Der Struktur- und Kulturwandel im Wissenschaftssystem ist für die Universität Freiburg ein zentrales Thema, das auch in ihrem Strategieprozess eine wichtige Rolle spielt. Am 15. und 16. Mai 2025 laden die Universitäten Freiburg und Jena zur „Tenure-Track-Tagung 2025“ in Berlin ein, um das Thema auch auf der politischen Bühne weiter voranzubringen. Schon 2020 hatten beide Universitäten gemeinsam das deutsche „Tenure-Track-Netzwerk“ gegründet.
„Der Kulturwandel im Wissenschaftssystem hat für uns eine große Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Sylvia Paletschek, Prorektorin für Universitätskultur der Universität Freiburg: „Wir setzen uns ein für eine chancengerechte, inklusive und diskriminierungskritische Institution mit attraktiven Karriere-, Studien- und Arbeitsbedingungen.“ Diese Ziele sind auch Themen der Tenure-Track-Tagung 2025 unter dem Titel „Das Tenure-Track-Prinzip: Karrierewege und Kulturwandel im deutschen Wissenschaftssystem“, zu der die Universitäten Freiburg und Jena am 15. und 16. Mai 2025 nach Berlin einladen.
Paletschek wird dort ebenso an einem Panel teilnehmen wie etwa der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Prof. Dr. Walter Rosenthal, sein Vorgänger Prof. Dr. Peter-André Alt und Jun.-Prof. Dr. Amrei Bahr von der Initiative „#IchBinHanna“. Auch die Rektorin der Universität Freiburg Prof. Dr. Kerstin Krieglstein wird die Tagung besuchen.
„Der Kulturwandel im Wissenschaftssystem hat für uns eine große Bedeutung. Wir setzen uns ein für eine chancengerechte, inklusive und diskriminierungskritische Institution mit attraktiven Karriere-, Studien- und Arbeitsbedingungen.“
Was das „Tenure-Track-Prinzip“ konkret für Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen bedeutet, haben im Vorfeld der Tagung zwölf Postdocs und Juniorprofessor*innen aus ganz Deutschland in einem Workshop an der Universität Freiburg zusammengetragen: Im geschützten Rahmen diskutierten und erarbeiteten sie am 6. und 7. März 2025 Ideen und Lösungsstrategien gemeinsam mit vier Professor*innen und Mitarbeitenden aus dem Universitätsmanagement. Planbarkeit und die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft als Beruf spielten hierbei ebenso eine Rolle wie der bewusste Umgang mit Abhängigkeitsverhältnissen und Teamarbeit sowie eine diversitätssensible Personalauswahl.
„Uns geht es nicht nur um Tenure-Track-Professuren, sondern eben um das, was wir das Tenure-Track-Prinzip nennen. Das bedeutet, dass es auch im Mittelbau die Aussicht auf unbefristete, planbare Anstellungen gibt – sowie generell einen Wandel bei Arbeitsbedingungen und Führungskultur.“
Sabeth Beck aus dem Team „Gleichstellung, Diversität und akademische Personalentwicklung“ der Universität Freiburg hat den vorbereitenden Workshop koordiniert. „Uns geht es nicht nur um Tenure-Track-Professuren, sondern eben um das, was wir das Tenure-Track-Prinzip nennen“, sagt Beck: „Das bedeutet, dass es auch im Mittelbau die Aussicht auf unbefristete, planbare Anstellungen gibt – sowie generell einen Wandel bei Arbeitsbedingungen und Führungskultur.“
„Ohne faire Rahmenbedingungen werden viele kluge Köpfe den Weg in die Wissenschaft nicht mehr wählen“, sagt Dr. Bin Zhang. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik und Medienkulturen der Technischen Universität Dresden und hat an dem Workshop teilgenommen. Das Ergebnis aus seiner Sicht: „Wir brauchen flexible, menschenzentrierte Strukturen – nicht als Ausnahme, sondern als neue Normalität.“
Bei dem Freiburger Workshop habe es „eine klare Übereinstimmung zwischen den sehr unterschiedlichen Teilnehmer*innen aus allen möglichen Fachbereichen“ gegeben, sagt die Psychologin PD Dr. Jasmin Kizilirmak, die am Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG) der Universitätsmedizin Magdeburg und als Gastwissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) arbeitet: „Vom Literaturwissenschaftler über Soziologen und Psychologen bis hin zum Biologen waren sich alle ziemlich einig: Der Großteil aller Stellen sollten Tenure-Track-Stellen sein, wobei man natürlich die aktuelle annähernd an die 100 Prozent grenzende Erfolgsquote etwas nach unten korrigieren müsste.“ Also Stellen mit der Perspektive, nach einer befristeten Bewährungszeit in eine dauerhafte Festanstellung überführt zu werden – auch jenseits einer Professur.
Ein weiteres Ergebnis: Die Personalauswahl an Hochschulen und Forschungseinrichtungen soll vielfältiger werden: „Diversität ermöglicht Multiperspektivität, die ein inhärentes Merkmal von Wissenschaft ist und Innovationsfähigkeit befördert“, sagt Prorektorin Paletschek. Dabei geht es um die Gestaltung von Berufungsverfahren, um die Besetzung von Auswahlkommissionen, auch um ein Bewusstsein für die so genannte „first generation“, also Wissenschaftler*innen, die nicht selbst schon aus Akademikerfamilien stammen und sich das kulturelle Wissen des wissenschaftlichen Milieus oft erst zusätzlich aneignen müssen. „Diversität und Bestenauslese sind keine Gegensätze – im Gegenteil!“, ergänzt Paletschek.
Zum Kulturwandel gehöre auch ein neues Bewusstsein für Zusammenarbeit und gute Führung, sagt Beck: „Lehren und Forschen beinhaltet eigentlich immer auch eine Führungsverantwortung. Deshalb sollte es auch schon früh mehr Angebote geben, sich mit Themen wie Führung und Teamarbeit zu beschäftigen und hier etwas dazu zu lernen.“ Ein weiterer Aspekt sei die europäische Perspektive, die für Karrierewege und auch Arbeitskulturen immer wichtiger werde.
Mit der Tagung Mitte Mai wollen die gastgebenden Universitäten Freiburg und Jena zu zeitgemäßen Strukturen beitragen. Darauf setzt auch Zhang. Er sagt: „Deutschland sollte als attraktiver Wissenschaftsstandort Rahmenbedingungen schaffen, die von internationalen Forschenden nicht mit Bürokratie und Ineffizienz verbunden werden.“ Und Jasmin Kizilirmak ergänzt, auch mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in den USA: „Deutschland darf nicht attraktiv für amerikanische Wissenschaftler*innen sein, weil es weniger schlecht ist, sondern dadurch, dass wir ein Vorbild dafür sind, wie man es richtig macht.“
Nach der ersten Tenure-Track Tagung 2020 gründeten die Universitäten Freiburg und Jena das „Tenure-Track-Netzwerk“, um gemeinsam mit möglichst vielen Akteur*innen an Antworten zu arbeiten – und nahmen damit eine Vorreiterrolle ein. „Auf der Berliner Tagung schauen wir jetzt, was wir von den vergangenen Jahren lernen und in Zukunft neugestalten können“, sagt Beck. Diese Überlegungen und Planungen fließen auch in den laufenden Gesamtstrategieprozess der Universität Freiburg mit ein. Auch drei Wissenschaftler*innen aus dem Workshop werden auf drei Panels der Tagung vertreten sein.