Forschung
Forschungsinteresse
In unserem Labor interessieren wir uns für die Beziehung zwischen Kognition und Handlung.
Menschen interagieren in der Regel zielgerichtet mit ihrer Umwelt. Doch ihr Verhalten wird nicht ausschließlich durch ihre Ziele bestimmt – vielmehr formen äußere Reize und innere Zustände gemeinsam die tatsächliche Handlung.
Unser Ziel ist es, Prozesse zu identifizieren, die es Menschen ermöglichen, ihre Ziele trotz störender Einflüsse zu erreichen, insbesondere in Multitasking-Situationen.
Daher befassen wir uns mit den Themen Handlungs- und kognitive Kontrolle, Selbstorganisation, Konfliktanpassung, Vorhersage durch Umweltmuster sowie assoziatives Lernen. Darüber hinaus interessieren wir uns dafür, wie Menschen ihre eigenen Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen in Bezug auf das Gefühl der Handlungsursache (Sense of Agency) wahrnehmen.
Wir streben danach, dieses Wissen zu nutzen, um menschliches Handeln im Allgemeinen besser zu verstehen, insbesondere in Bezug auf umweltbezogenes Verhalten. So untersuchen wir beispielsweise Maßnahmen zur Förderung von nachhaltigem Verhalten und arbeiten in interdisziplinären Teams zur Entwicklung nachhaltiger Technologien.
Wir setzen eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden ein, darunter Experimente zur Messung von Verhaltensmaßen wie Reaktionszeiten, Fehlerraten, subjektiven Einschätzungen und Augenbewegungen sowie EEG-Aktivität. Vieles davon nutzen wir auch in Online-Studien.
In unser Abteilung eingebettet ist die Forschungsgruppe „Time, Interaction, and Self-determination“, die von Dr. Roland Thomaschke geleitet wird.
Forschungsfelder
- Cognitive Affective Maps (CAMs)
- Multitasking
- Action control
- Processing of time in action-contexts
- Cognition and Motor control
- Sustainability
- Cognitive and Statistical Modelling
Laufende Projekte
Sequenzeffekte in der kognitiven Psychologie: gleich aber doch anders?
Beschreibung:
Wir sind schneller in zwei verschiedenen Suchen das gleiche Objekt zu finden, als zwei unterschiedliche Objekte (zum Beispiel, wenn wir Dobble spielen). Wir sind ebenfalls schneller, wenn wir zweimal hintereinander die gleiche Aufgabe ausführen, als wenn wir die Aufgabe wechseln. Was haben diese Phänomene gemeinsam? Haben sie etwas gemeinsam oder treten sie nur zufällig auf? Sequenzeffekte treten in verschiedenen experimentellen Paradigmen der kognitiven Psychologie auf, wie beispielsweise der visuellen Suche (Found & Müller, 1996), bei Zweifach-Wahlaufgaben (Soetens et al., 1985), Interferenzaufgaben (Gratton et al., 1992) oder im Aufgabenwechsel (Jersild, 1927). Obwohl diese doch sehr verschiedenen Paradigmen die gleichen behaviouralen Effekte hervorrufen, nämlich schnellere Reaktionszeiten und weniger Fehler bei einer Wiederholung als bei einem Wechsel, ist bis heute kaum untersucht, welche Mechanismen diese Paradigmen wirklich teilen. Gibt es gemeinsame Mechanismen, die dafür sorgen, dass Sequenzeffekte in allen Paradigmen auftreten? Dies zu beantworten ist das Ziel des vorliegenden Projektes.
Team:
Anne Voormann, DFG VO, in Kooperation mit Jeff Miller, Otago University
Förderung:
DFG
Literatur:
- Found, A., & Müller, H. J. (1996). Searching for unknown feature targets on more than one dimension: Investigating a “dimension-weighting” account. Perception & Psychophysics, 58(1), 88–101. https://doi.org/10.3758/BF03205479
- Gratton, G., Coles, M. G. H., & Donchin, E. (1992). Optimizing the use of information: Strategic control of activation of responses. Journal of Experimental Psychology: General, 121(4), 480–506. https://doi.org/10.1037/0096-3445.121.4.480
- Jersild, A. T. (1927). Mental set and shift. Archives of Psychology, Whole No. 89. https://archive.org/details/mentalsetshift00jers/page/16/mode/2up?ref=ol&view=theater
- Soetens, E., Boer, L. C., & Hueting, J. E. (1985). Expectancy or automatic facilitation? Separating sequential effects in two-choice reaction time. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 11(5), 598–616. https://doi.org/10.1037/0096-1523.11.5.598
Einfluss erlebter Hand-Arm Vibrationen auf unsere kognitiven Leistung
Beschreibung:
Bei der Benutzung vieler Elektrowerkzeuge (z.B. Bohrhammer, Winkelschleifer etc.) sind deren Anwender*innen Hand-Arm-Vibrationen ausgesetzt, die in ihrer Frequenz und in ihrer Intensität schwanken und damit auch den wahrgenommenen Vibrationskomfort und Vibrationsdiskompfort beeinflussen (Hägele, 2023). Gleichzeitig sind in solchen Situationen aber auch die kognitiven Anforderungen hoch, beispielsweise an die Aufmerksamkeit, um sowohl Materialschäden als auch Verletzungen zu vermeiden. Obwohl Vibrationsdiskomfort im technischen Bereich häufig untersucht und zu verringern versucht wird, durch beispielsweise eine Anpassung der Griffe, wurden die Auswirkungen der erlebten Hand-Arm-Vibration auf die kognitive Leistung noch kaum untersucht (für eine erste Studie bei Busfahrern siehe Rahmani et al. 2021). Daher ist das Ziel dieses Projektes genauer zu beleuchten, welche Einflüsse erlebte Hand-Arm-Vibrationen auf unsere Kognition (Aufmerksamkeit, kognitive Kontrolle) haben.
Team:
Anne Voormann, Andrea Kiesel, in Kooperation mit Andreas Lindenmann, Sven Matthiesen, IPEK, KIT
Literatur:
- Rahmani, R., Aliabadi, M., Golmohammadi, R., Babamiri, M., & Farhadian, M. (2021). Evaluation of Cognitive Performance of City Bus Drivers with Respect to Noise and Vibration Exposure. Acoustics Australia, 49(3), 529–539. https://doi.org/10.1007/s40857-021-00248-z
- Hägele, D. (2023). Vibrations(dis)komfort von Power-Tools – der Einfluss von Personenvariablen und Studienumgebung [nicht publizierte Masterarbeit]. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Vorhersage von Einstellungen und Verhalten gegenüber lebenden Materialien: Überprüfung der Reliabilität der CAM-Methode als Messinstrument
Beschreibung:
In diesem Forschungsprojekt verfolgen wir das Ziel, die CAM-Methode aus methodischer Perspektive näher zu beleuchten, indem wir den Fokus auf die Reliabilität als eines der klassischen zentralen Qualitätskriterien in der psychologischen Testkonstruktion legen. In einer ersten Studie verwendeten wir einen klassischen Ansatz zur Erfassung der Retest-Reliabilität, indem wir ein stabiles psychologisches Messobjekt zweimal maßen. Nachfolgende Studien konzentrieren sich darauf, wie CAM am besten implementiert werden kann, um eine hohe Reliabilität zu erreichen, und zweitens darauf, wie hoch die CAM-Reliabilität in Gruppensettings ausfällt. Das übergeordnete Ziel ist es, die CAM-Forschung durch ein besseres Verständnis ihrer Reliabilität zu stärken und ein leistungsfähiges Instrument zur Bewertung der Akzeptanz lebender Materialsysteme bereitzustellen.
Team:
Wilhelm Gros, Andrea Kiesel, Michael Stumpf, Oliver Müller
Programm:
Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems livMatS
Zeitraum:
8/2022 – 7/2025
Bewertung aufkommender Technologien: Ethische und gesellschaftliche Perspektiven
Beschreibung:
Dieses Projekt entwickelt und wendet innovative Methoden an, um die ethischen und gesellschaftlichen Dimensionen aufkommender Technologien – insbesondere lebensähnlicher Materialsysteme – zu bewerten. Zentrale methodische Werkzeuge sind:
- CAM-EL (Cognitive-Affective Maps Extended Logic):
Ein Software-Tool zur Visualisierung und Analyse von Glaubenssystemen, das sowohl emotionale als auch kognitive Bewertungen erfasst. CAM-EL ermöglicht die Identifikation von wahrgenommenem Vertrauen, Risiken/Nutzen sowie Argumentationsstrukturen im Zusammenhang mit Technologien wie Materialsystemen und Softrobotik. Aktuelle Weiterentwicklungen integrieren große Sprachmodelle (Large Language Models), um die Datenanalyse teilweise zu automatisieren. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website: https://drawyourminds.de/ - ESTA (Ethik-Skala zur Technikfolgenabschätzung):
Ein theoriebasiertes, empirisch validiertes Umfrageinstrument zur Messung der moralischen Akzeptanz aufkommender Technologien auf Basis verschiedener ethischer Ansätze (z. B. Deontologie, Utilitarismus, Tugendethik, Kontraktualismus, Relativismus, Hedonismus). ESTA ermöglicht ethische Bewertungen durch unterschiedliche Interessengruppen und trägt zur Umsetzung einer „Real-Time Ethics“ bei.
Übergeordnetes Ziel:
Die Entwicklung und Anwendung von CAM-EL, ESTA und verwandten Methoden basiert auf einem integrierten Ansatz der empirischen Ethik, der normative Theorie mit empirischer Forschung verbindet. Dieses interdisziplinäre Rahmenkonzept – mit Einflüssen aus Philosophie, Psychologie und Nachhaltigkeitswissenschaft – ermöglicht kontextsensitive, partizipative und reaktionsfähige Bewertungen aufkommender Technologien.
Team:
Julius Fenn, Michael Gorki, Wilhelm Gros, PI: Andrea Kiesel
Programm:
Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems livMatS
Kognitiv-motorische Interferenz im Alter
Beschreibung:
Mit einem interdisziplinären Hintergrund in kognitiver Psychologie, Informatik und Human Factors konzentriert sich meine Forschung auf die unbewusste Modulation kognitiver Prozesse sowie auf den altersbedingten Rückgang exekutiver Funktionen.
Derzeit beschäftige ich mich mit der Analyse einer umfangreichen geriatrischen Datenbank, die den Schwerpunkt auf die kognitiv-motorische Doppelaufgabenleistung älterer Erwachsener legt. Dieses Forschungsvorhaben wird in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team aus Psychologinnen, Sportwissenschaftlerinnen und Gerontolog*innen durchgeführt und verknüpft Aufgabenleistungsdaten mit raumzeitlichen Gangparametern sowie klinischen Diagnosen.
Dieser multiperspektivische Ansatz ermöglicht eine differenzierte retrospektive Untersuchung von Risikofaktoren für Stürze im höheren Lebensalter. Ziel ist es, auf dieser Grundlage komplexe statistische Modelle zu entwickeln, um das Zusammenspiel von kognitiv-motorischer Doppelaufgabenleistung, posturaler Kontrolle und Sturzrisiko besser zu verstehen.
Team:
Tian Zhou, Elisa Straub, Andrea Kiesel, in Kooperation mit Dominic Gehring, Urs Granacher, Aaron Haslbauer, Reto Kressig und Roland Rössler
Programm:
Ressourcenzuteilung bei jungen Erwachsenen im Timed-Up-and-Go-Test unter Doppelaufgabenbedingungen
Beschreibung:
Der Timed-Up-and-Go (TUG) Test ist ein ökologisch valides klinisches Verfahren, das häufig zur Beurteilung der allgemeinen Mobilität älterer Erwachsener eingesetzt wird. In der klinischen Praxis wird der TUG-Test oftmals mit einer zusätzlichen kognitiven Aufgabe kombiniert – insbesondere im Rahmen bewegungstherapeutischer Interventionen. Vergleichbare Studien mit Fokus auf jüngere Erwachsene sind bislang jedoch rar.
Ziel unserer Untersuchung ist es, zu analysieren, wie junge Erwachsene ihre Aufmerksamkeitsressourcen unter unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden innerhalb dieses experimentellen Paradigmas verteilen. Darüber hinaus wird untersucht, inwiefern funktionelle Reserve und metakognitive Fähigkeiten ihre Leistung unter Doppelaufgabenbedingungen sowie die Wahl ihrer Strategien beeinflussen.
Team:
Tian Zhou, Elisa Straub, Andrea Kiesel, in Kooperation mit Dominic Gehring, Urs Granacher, Aaron Haslbauer, Reto Kressig und Roland Rössler
Programm:
Kognitive Modellierung von Gewichtsbias
Beschreibung:
Ziel des Projekts ist es, die kognitiven Prozesse impliziten Gewichtsbias (weight bias) – also unbewusster negativer Einstellungen gegenüber übergewichtigen Personen – zu analysieren und darauf aufbauend mögliche Ansatzpunkte für Anti-Bias-Maßnahmen zu identifizieren. Der methodische Zugang kombiniert experimentelle Verfahren mit fortgeschrittener statistischer Modellierung, insbesondere hierarchisch-bayesianischen Ansätzen. Dazu wird zunächst das Diffusionsmodell genutzt, um zentrale kognitive Mechanismen des impliziten Bias differenziert zu untersuchen. Im Fokus des weiteren Vorgehens steht die Analyse interindividueller Unterschiede in Richtung und Ausprägung des Bias. Mittels hierarchisch-bayesianischer Clusteranalysen sollen unterschiedliche Klassen identifiziert und durch beispielsweise demografische Merkmale oder explizite Einstellungen vorhergesagt werden. Langfristig sollen die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, Maßnahmen zu entwickeln, die an spezifischen kognitiven Prozessen ansetzen und eine Reduktion impliziter Gewichtsbias unterstützen können.
Team:
Katja Pollak, Andrea Kiesel, Raphael Hartmann, Julius Fenn, in Kooperation mit Hanna Wachten, Jana Strahler, Constantin Meyer-Grant, Veronika Lerche
Zeitraum:
10/2021 – Mitte 2026
Kognitive-motorische Interferenz
Beschreibung:
Im Alltag stehen wir häufig vor Situationen, in denen wir mehrere Dinge gleichzeitig tun müssen – zum Beispiel eine knifflige Frage beantworten, während wir eine überfüllte Treppe hinuntergehen. Solche Multitasking-Situationen stellen erhöhte Anforderungen an unsere kognitiven Ressourcen und können unsere Bewegungen und unser Gleichgewicht beeinträchtigen.
In unseren Forschungsprojekten untersuchen wir, wie kognitive und emotionale Prozesse – wie zum Beispiel kognitiver Konflikt oder emotionale Ablenkung – die Kontrolle über das Gleichgewicht beeinflussen. Die Teilnehmenden stehen dabei auf einer Kraftmessplatte, die selbst kleinste Veränderungen der Gleichgewichtsstabilität erfasst.
Unser Ziel ist es, die Wechselwirkungen zwischen Kognition, Emotion und Gleichgewicht besser zu verstehen und diese Erkenntnisse für gezieltes Training und präventive Maßnahmen zu nutzen – insbesondere für Personen mit einem erhöhten Risiko für Gleichgewichtsstörungen oder Stürze.
Förderung:
DFG Grant No. KI 1388/11-1, collaboration project with Leif Johannsen and Iring Koch (RWTH Aachen) and Hermann Müller (University Giessen)
Software:
R Paket forceplate
Team:
Elisa Straub und Andrea Kiesel, in Kooperation mit Leif Johannsen und Anton Koger
Generalisierbarkeit kognitiver Kontrolle
Beschreibung:
Im Alltag müssen wir impulsive Reaktionen steuern und uns schnell an veränderte Anforderungen anpassen. Emotionale Informationen können dabei störend wirken – sie können die Leistung manchmal fördern, aber auch behindern. Kognitive Kontrolle hilft uns, fokussiert zu bleiben, Ablenkungen zu bewältigen und unser Verhalten flexibel an neue Situationen anzupassen.
In unserer Forschung untersuchen wir, wie verschiedene Formen kognitiver Kontrolle miteinander interagieren – also wie Kontrolle in einer bestimmten Aufgabe Reaktionen in einer anderen, nicht verwandten Aufgabe beeinflussen kann und wie kognitive Kontrolle in emotionalen Kontexten funktioniert.
Unser Ziel ist es, besser zu verstehen, ob kognitive Kontrolle auf spezifische Aufgaben beschränkt ist oder ob sie einen allgemeineren mentalen Zustand widerspiegelt, der das Verhalten in ganz unterschiedlichen Situationen beeinflusst.
Team:
Elisa Straub und Andrea Kiesel, in Kooperation mit Eldad Keha und David Dignath
Zeitbasierte Erwartung über sensorische Modalitäten hinweg
Beschreibung:
Die Antizipation spezifischer Ereignisse zu bestimmten Zeitpunkten – bezeichnet als zeitbasierte Erwartung (time-based expectancy, TBE) – stellt einen zentralen kognitiven Mechanismus dar, der effiziente Wahrnehmung und zielgerichtetes Handeln unterstützt (Nobre & van Ede, 2018; Thomaschke & Dreisbach, 2015). Während TBE bislang vor allem im visuellen Bereich umfassend untersucht wurde, ist ihre Ausprägung in anderen sensorischen Modalitäten, wie der taktilen und auditiven Wahrnehmung, vergleichsweise wenig erforscht (Ball et al., 2018). Zudem ist weitgehend ungeklärt, inwieweit TBE die Leistung unter kognitiv anspruchsvollen Bedingungen unterstützt, die eine gleichzeitige Verarbeitung mehrerer Aufgaben und eine hohe kognitive Flexibilität erfordern. Das vorliegende Projekt setzt an dieser Forschungslücke an, indem es untersucht, wie Zeit-Ereignis-Kontingenzen in taktilen und auditiven Kontexten erlernt werden und ob entsprechende prädiktive Verarbeitungsprozesse auch unter Doppelaufgabenbedingungen leistungsförderlich sind. Ziel ist es, ein vertieftes Verständnis darüber zu gewinnen, wie das kognitive System zeitliche Strukturen nutzt, um Verhalten über unterschiedliche Modalitäten und Anforderungsniveaus hinweg zu optimieren.
Team:
Alejandra Rodríguez-Velásquez, Andrea Kiesel und Roland Thomaschke
Förderung:
DFG, Grant No. TH 1554/3-2, Priority Program (SPP 1772) Multitasking
Effekt von leistungsunabhängiger Vergütung auf kognitive Prozesse
Beschreibung:
Die Rolle von Anreizen für kognitive Prozesse und Entscheidungen ist sowohl in der Ökonomie als auch in der Psychologie ein zentrales Thema. Angeregt durch die Kooperation mit dem Freiburg Institute for Basic Income Studies fokussiere ich mich dabei in meinem Dissertationsprojekt insbesondere auf die Auswirkungen leistungsunabhängiger Vergütung im Vergleich zu etwa leistungsabhängiger Vergütung. Mein Interesse gilt dabei vor allem deren unterschiedlichen Wirkungen auf kognitive Prozesse.
In einem ersten Schritt zielt das Projekt auf eine umfassende Analyse der bestehenden Literatur ab, um eine fundierte Grundlage für die anschließenden empirischen Untersuchungen zu schaffen. Gleichzeitig soll dieser Schritt dazu beitragen, die im Rahmen der Kooperation mit dem FRIBIS gewählte Proxy – die leistungsunabhängige Belohnung – als sinnvolle experimentelle Annäherung an komplexe Konstrukte, in diesem Fall das Grundeinkommen, zu etablieren.
Aufbauend auf Erkenntnissen aus der Literatur, die nahelegen, dass leistungsunabhängige Belohnungen kognitive Mechanismen auf andere Weise beeinflussen können als leistungsabhängige Anreize, entwickeln ich in Kooperation mit weiteren Forschern eine Reihe experimenteller Studien. Diese Untersuchungen erfolgen im Rahmen des Paradigmas des self-organized task switching, welches erstmals von Mittelstädt et al. (2018) eingeführt wurde und es erlaubt, individuelle Entscheidungsprozesse in einem flexiblen, zugleich jedoch kontrollierten Kontext zu beobachten und differenziert zu analysieren.
Mit meinem Vorhaben möchte ich nicht nur zur aktuellen Diskussion über die Wirkmechanismen verschiedener Vergütungsformen beitragen, sondern auch das Erkenntnispotenzial kognitionspsychologischer Forschung für scheinbar entfernte Forschungsfelder hervorheben – ein Potenzial, das zu einem umfassenderen Verständnis menschlichen Verhaltens beitragen kann.
Team:
Larissa Walter, Irina Monno, Anne Voormann, Andrea Kiesel
Zeitrahmen:
Mitte 2021- Mitte 2026
Programm:
Untersuchung computerbasierter Programme und nicht-digitaler Techniken zur Verbesserung kognitiver Funktionen und Überprüfung der Reliabilität von Messungen exekutiver Funktionen
Beschreibung:
Ein Ziel dieses Projekts ist es, die bestehende Literatur zu computerbasierten und nicht-digitalen kognitiven Trainingsprogrammen im Rahmen einer umfassenden Metaanalyse zusammenzufassen und deren Wirksamkeit bei der Förderung exekutiver Funktionen (EFs) bei gesunden Personen zu evaluieren. Die Analyse konzentriert sich sowohl auf Nah- als auch Ferntransfer-Effekte und untersucht Auswirkungen auf Aufgaben, die niedrigere exekutive Funktionen (z. B. Arbeitsgedächtnis) sowie höherstufige Bereiche (z. B. Problemlösen) messen.
Zudem wird analysiert, wie verschiedene Faktoren – wie Trainingszeitplan, Art der Kontrollgruppe, Alter der Teilnehmenden und Aufgabenmerkmale – die Ergebnisse der Interventionen beeinflussen.
In einer anschließenden Phase werden die Ergebnisse der Metaanalyse in einer randomisiert-kontrollierten Studie mit einer gesunden Erwachsenenstichprobe weiter untersucht. Das Projekt wird außerdem die Test-Retest-Reliabilität mehrerer weit verbreiteter Aufgaben zur Messung exekutiver Funktionen evaluieren, um die Belastbarkeit der Ergebnismessungen sicherzustellen. Abschließend wird eine breite Palette alternativer und indirekter Ansätze zur Förderung exekutiver Funktionen untersucht – darunter Meditation, körperliche Aktivität, Kampfkünste, Atemübungen und weitere Methoden.
Zentrale Forschungsthemen:
- Metaanalyse zu Transfer-Effekten exekutiver Funktionen nach digitalem und nicht-digitalem kognitivem Training
- Studie zur Test-Retest-Reliabilität von EF-Aufgaben
- Randomisiert-kontrollierte Studie mit gesunden Erwachsenen
- Systematische Untersuchung impliziter Methoden zur kognitiven Förderung
Zeitrahmen:
2024–2027
Förderung:
Studienstiftung des deutschen Volkes
Team:
Self-organized task switching, Balancing switch costs; Reinforcement-learning model, selective- influence assumption
Beschreibung:
In diesem Projekt wollen wir das Zusammenspiel von Entscheidung bezüglich Aufgabenwechsel- oder -wiederholung und Performanz bei der Ausführung der Aufgaben beim freiwilligen Aufgabenwechsel besser verstehen. Basierend auf experimenteller Forschung und kognitiver Modellierung des freiwilligen Aufgabenwechsels untersuchen wir, wie sich Entscheidungen auf die Aufgabenperformanz auswirken und wie die Aufgabenperformanz (im Sinne des erwarteten Aufwands) künftige (Aufgaben-)Entscheidungsprozesse beeinflusst. Um strategische Aufgabenentscheidungen zu erheben, wenden wir das Paradigma des selbstorganisierten Aufgabenwechsels an (Mittelstädt, et al., 2018), bei dem die Teilnehmer ihre Wechselkosten mit experimentell induzierten Wartezeiten abwägen müssen. Um Aufgabenentscheidungen zu modellieren, schlagen wir ein Modell des Reinforcement-Lernens (RL) vor, das die an Aufgabenwechselentscheidungen beteiligten Prozesse auf algorithmischer Ebene beschreibt und ein Messmodell darstellt, das es ermöglicht, die Beiträge der beteiligten Prozesse valider und prozessreiner zu bewerten, als dies durch Ad-hoc-Indizes (wie z. B. die Wechsel-SOA, Wechselraten, Reaktionszeitwechselkosten) möglich ist. Diese Modellierungsziele erfordern i) den Nachweis der Fähigkeit des Modells, die Daten gut und besser als alternative und einfachere Modelle zu beschreiben, sowie ii) den Nachweis der Stabilität der Modellparameter und – mithilfe selektiver Einflussstudien und korrelativer Beziehungen – ihrer Konstruktvalidität.
Um diese Ziele zu erreichen, sind Arbeitspakete geplant zur formalen Entwicklung des Modells (WP 1), zur Evaluierung der Test-Retest-Stabilität von Indizes der Task-Switch-Performance und der Modellparameter (WP 2) und zur empirischen Validierung des Modells und seiner Parameter mittels selektiver Einflussstudien (WP3 – WP5). Schließlich wollen wir das validierte Modell erweitern, um Fehler zu berücksichtigen, Wechsel zwischen Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu modellieren und, in Zusammenarbeit mit anderen Projekten der Forschungsgruppe, Daten aus verwandten Paradigmen zu erklären.
Förderung:
DFG Grant No. KI 1388/12-1, Research Unit 6047 Voluntary task switching: Cognitive processes and models to account for task choices
Schlüsselwörter:
Selbstorganisierter Aufgabenwechsel, Abwägung der Wechselkosten; Reinforcement Learning Modell, Hypothese des selektiven Einflusses
Methoden
In unseren Verhaltenslaboren nutzen wir PCs und Tastenboxen, um Messungen der Aufgabenleistung zu erfassen, beispielsweise die Genauigkeit und Geschwindigkeit, mit der Menschen ihre Handlungen in Reaktion auf dargebotene Reize planen und ausführen. Hier untersuchen wir unter anderem, wie gut Menschen multitasken können, indem wir die Reaktionszeiten und Fehlerraten der Teilnehmenden analysieren, wenn sie zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herwechseln müssen.
Cognitive-Affective Maps (CAMs) sind ein innovatives Werkzeug zur Erfassung und Darstellung individueller Einstellungen, Überzeugungen und Gefühle. Sie visualisieren, wie Menschen über bestimmte Themen denken – und vor allem, wie sie sich dabei fühlen. CAMs bestehen aus Konzepten (z. B. „Klimawandel“, „Auto“, „Freiheit“), die als farbige Formen dargestellt werden. Farbe und Form zeigen an, ob das Konzept positiv, negativ, neutral oder ambivalent empfunden wird. Die Stärke der emotionalen Bewertung wird über die Dicke der Linien dargestellt. Konzepte werden durch Linien verbunden, die unterstützende (durchgezogene Linie) oder hemmende (gestrichelte Linie) Beziehungen anzeigen. Im Gegensatz zu klassischen Mindmaps erfassen CAMs nicht nur Gedanken, sondern kombinieren diese mit emotionalen Bewertungen – also wie angenehm oder unangenehm bestimmte Vorstellungen empfunden werden.
Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine Methode, die für ihre hohe zeitliche Auflösung bekannt ist. Sie ermöglicht die kontinuierliche Aufzeichnung der elektrischen Aktivität auf der Kopfhaut, die durch die Gehirnaktivität erzeugt wird. Bestimmte funktionale Zustände des Gehirns können dabei charakteristischen EEG-Mustern zugeordnet werden, entweder durch die Analyse sogenannter ereigniskorrelierter Potenziale (ERPs) oder durch oszillatorische Muster neuronaler Aktivität, die mittels EEG erfasst werden. Sowohl ERPs als auch Oszillationen können genutzt werden, um die Gehirnaktivität zu untersuchen und besser zu verstehen, wie unser Gehirn Informationen unter bestimmten Bedingungen verarbeitet. In unserem Labor verwenden wir das EEG, um herauszufinden, wie sich das menschliche Gehirn organisiert, wenn es mit verschiedenen kognitiven Aufgaben konfrontiert wird.
Ein Eye-Tracker ist ein Gerät, das Infrarotlicht nutzt, um die Position des Auges zu bestimmen. Diese Methode ist hilfreich, um zu untersuchen, wohin eine Person ihren Blick fixiert (Fixationen) oder wohin sich ihre Augen bewegen (Sakkaden). Fixationen und Sakkaden können beispielsweise als Maß für Aufmerksamkeitsprozesse verwendet werden. Darüber hinaus kann Eye-Tracking zur Erfassung der Pupillenerweiterung genutzt werden – ein Indikator, der unter anderem Überraschung, kognitive Belastung oder Erregung anzeigen kann. In unserem Labor untersuchen wir derzeit antizipatorische Prozesse während zielgerichteter Handlungen anhand von Augenbewegungsmessungen.
Kraftmessplatten sind hochpräzise Messinstrumente, die in der Biomechanik, Bewegungsforschung und Sportwissenschaft eingesetzt werden, um die Kräfte zu erfassen, die zwischen dem Körper und dem Boden wirken. Sie messen dabei Parameter wie die Bodenreaktionskraft, das Drehmoment und die Position des Körperschwerpunkts. Diese Daten geben Aufschluss über Standstabilität, Gleichgewichtskontrolle und einzelnen Komponenten von Bewegungsabläufen. Kraftmessplatten ermöglichen es Forschenden, kleinste Schwankungen im Gleichgewicht zu erkennen und zu analysieren, während Probanden zeitgleich kognitive Aufgaben lösen. Unter dem Einsatz von kognitivem Aufgaben kann untersucht werden, welchen Einfluss kognitive Prozesse auf posturale Kontrolle (Gleichgewicht) haben.
Mittels ereignisbezogenen Analysen werden posturale Maße (z. B. Schwankungen des Gleichgewicht) während kleinsten Zeitabschnitten bei kognitiven Ereignissen (z. B. 100 ms nach Reizbeginn oder nach Antwort des Probanden auf den Reiz) untersucht – ähnlich wie bei der Analyse ereignisbezogener Potenziale im EEG. Für die Aufbereitung der Rohdaten zur ereignisbezogenen Analyse verwenden wir das R Paket „forceplate„.
Online-Umfragen sind ein effizientes Instrument zur schnellen und unkomplizierten Datenerhebung. Da Antworten unabhängig von Raum und Zeit gegeben werden können, ermöglichen sie die Erfassung großer nationaler und internationaler Datensätze. Im Gegensatz zu Papier-und-Bleistift-Umfragen kann die Online-Datenerhebung zudem kontinuierlich überwacht werden. Dadurch werden die Daten automatisch in statistische Programme übertragen, wodurch Eingabefehler reduziert werden. Online-Umfragen können zur Analyse der öffentlichen Meinung zu einer Vielzahl von Fragestellungen eingesetzt werden.
In unserem Labor nutzen wir Online-Umfragen, um Kaufabsichten für dezentrale nachhaltige Energiesysteme wie Photovoltaikmodule und Stromspeicher zu untersuchen oder die Wahrnehmung verschiedener zukünftiger Energieversorgungsszenarien zu analysieren.
Als Ergänzung zu klassischen fragebogenbasierten Erhebungsmethoden entwickeln und nutzen wir Cognitive-Affective Mapping (CAM) – eine neue, stärker qualitative Methode der Datenerhebung, um beispielsweise die psychologische Akzeptanz neuer Forschungsbereiche und potenziell daraus resultierender Technologien vorherzusagen.
Die Vibrationsplatte ist ein kleines, vom KIT für uns gebautes Gerät in der ein Lautsprecher Schwingungen erzeugt, die über eine 13×13 cm große eingelassene Platte Vibrationen erzeugt, die auf die Hände übertragen werden. Mithilfe dieser Platte wollen wir untersuchen, welchen Einfluss Hand-Arm Vibrationen auf Kognition haben.
Forschungsförderprogramme


