Siegelement der Uni Freiburg in Form eines Kleeblatts

Von der Gelassenheit nicht über jede Hürde zu springen – Jana Strahler im Portrait

Am Institut für Sport und Sportwissenschaft wirkt die Welt noch in Ordnung. Die Sonne scheint. Hier an der Dreisam entfaltet sich ein wahrhaft malerisches Schwarzwaldidyll. Jana Strahler, Professorin für Sportpsychologie, freut sich darüber. Ihr Campus sei glücklicherweise kein „großer grauer Kasten“. Nein, hier regierten „Die Sportplätze, die Beachvolleyballplätze, der grüne Rasen.“ Sie kommt ins Schwärmen. „In Freiburg scheint ja sowieso immer die Sonne“, sagt sie und lächelt. Strahler ist gesprächsbereit und offen, macht zugleich auch einen geordneten Eindruck. Für das Gespräch hat sie sich Notizen gemacht. Ihr Büro befindet sich im dritten Obergeschoss, mit weitem Blick auf die herrliche Naturkulisse. Wie um ihre Naturverbundenheit noch zu unterstreichen, hängt dort ein Bild der Zugspitze.

Dies passt zu Strahlers aktueller sportlicher Betätigung, der sie in ihrer Freizeit am intensivsten nachgeht. Nach 20 Jahren als Handballspielerin steht nun „der Sport in der Natur, in egal welcher Geschwindigkeit“ als Ausgleich zu ihrem Arbeitsalltag im Vordergrund. Solch ein Ausgleich ist unschätzbar wichtig. „Ich bin Vorgesetzte, Mentorin, Doktormutter, Kollegin, Kooperationspartnerin und nicht zuletzt Dozentin und Lehrerin. Das alles in acht Stunden täglich zu pressen, ist absolut eine Herausforderung“, sagt Strahler über ihr Leben als Professorin für Sportpsychologie. Seit 2021 bekleidet sie diese Position in Freiburg. Davor verbrachte sie fünf Jahre als Postdoc in Gießen im Bereich Psychotherapie und Systemneurowissenschaften.  Davor war Strahler wiederum fünf Jahre in Marburg im Bereich der Klinischen Biopsychologie aktiv.

Der Weg der Akademikerin war ihr als Tochter promovierter Mediziner gewissermaßen in die Wiege gelegt. Durch eine Tante, die selbst an einer Universität arbeitete, wusste sie schon früh, dass zu einer erfolgreichen Forschungstätigkeit auch die Lehre gehört. Deshalb hatte die gebürtige Görlitzerin zu Beginn ihres Psychologiestudiums an der TU Dresden schon einige Gewissheiten: „Ich mag Forschung, ich mag es zu entdecken, ich mag es Wissen zu schaffen“, sagte Strahler von sich als angehende Wissenschaftlerin. So fasste sie bald ein klares Ziel: „In Richtung Professur soll es gehen oder zumindest als Postdoc eine entfristete Stelle finden“. So viel Ehrgeiz hatten die meisten ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen nicht. „Die, die gedacht haben, ‚Wir wollen in der Wissenschaft bleiben!‘, waren eher in der Unterzahl.“ Strahler hingegen merkte schnell, dass sie sich stärker für die Prävention als die Behandlung psychischer Krankheiten interessierte. Über ihre Beschäftigung mit dem Thema Stress, rückte der Sport in den Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit – nicht ganz unbeeinflusst von der eigenen Sportbiographie, versteht sich. Auch was Disziplin, Zeitmanagement und Teamfähigkeit angeht, habe sie viel aus dem Sport in ihren Beruf übernommen. Trotz ihrer Führungsposition steht Strahler fest hinter dem Motto: „Gewonnen und auch verloren wird gemeinsam“.

Ob sie jemals Zweifel an ihrem Weg hatte? „Sagen wir mal so, nie so Zweifel, dass ich mich wirklich für Plan B interessiert hätte. Eigentlich gabs immer nur Plan A und wenn mir irgendwas fehlte, um Plan A zu erreichen, dann habe ich das mir angeeignet“. Diese Starke Orientierung an Problemlösungen, zeichnet auch Strahlers Forschungsfragen aus: „Was macht denn einen Menschen stark oder stärker? Was macht ihn widerstandsfähiger?“. Sie hat sichtliche Freude daran, ihre Arbeit zu erklären. Aufklärung, Wissensvermittlung, Enttabuisierung – diese Ziele treiben sie auch in ihrer Forschung zum menstruationszyklusbasierten Training an. Natürlich hat sie diesen Forschungsbereich nicht zufällig gewählt, doch sie lehnt es ab, ihre Wissenschaft vor allem unter dem Blickwinkel des Frauseins zu betrachten. Dennoch gibt sie zu: „Auf jeden Fall macht es das, woran ich Interesse habe mit aus und sicherlich auch, wo man die eigenen Stärken hat und das ist natürlich auch die eigene Erfahrung die man einbringen kann.“ Strahler erforscht den Einfluss des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit, „Weil wir festgestellt haben, dass wir da einen absoluten blinden Fleck haben.“ Selbst Frauen wüssten kaum etwas Handfestes darüber, wie sich ihre Periode auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt. Dementsprechend positiv fällt die Resonanz aus, wenn sie das Thema in die Öffentlichkeit trägt. „Danke, dass ihr das ansprecht. Wusste ich noch gar nicht. Ich beobachte das jetzt mal“, loben etwa Nutzerinnen auf Social-Media ihre Arbeit. Das ist eine kleine Besonderheit, denn selbst bei frauenspezifischen Themen werden häufig noch Männer rezipiert. Strahler erklärt, „Da muss man natürlich sehen, dass vielmehr Männer in der Wissenschaft aktiv sind, gerade auf den entfristeten Positionen, die dann natürlich auch die Themen medial besetzen.“

Ein anderer Bestandteil ihres Alltags ist die Mitarbeit in hochschulinternen Gremien. Bereits während ihrer Zeit in Marburg und Gießen wurden dort Themen von Gleichstellung und Frauenförderung „extrem prominent“ behandelt, wenn auch zumeist auf Initiative engagierter Frauen. „An der Stelle würde ich nicht die Universität im Ganzen als treibende Kraft sehen“, sagt Strahler über ihre Erfahrung in diesen Prozessen. Sich selbst sieht sie als „Vermittlerin“ beim Thema Gleichstellung: „Das ist mein Ansatz: Energie da hineininvestieren, wo man tatsächlich etwas ändern kann.“ Das mag von außen manchmal komisch anmuten und bringt ihr zuweilen kritische Nachfragen ein, warum sie sich nicht häufiger laut kritisch äußert. Ja, warum denn eigentlich nicht? „Weil ich mich selbst als sehr lösungsorientiert einschätze und lieber tue als rede.“ Doch dann zeigt sich die Professorin auch selbstkritisch: „Ich weiß nicht, ob das immer der richtige Weg ist. Manchmal muss man vermutlich vor allem laut sein, um wachzurütteln, aber ich glaub das andere ist eher mein Weg.“ Wie nehmen die männlichen Kollegen die Gleichstellungsarbeit wahr? Wenn diese hin und wieder unreflektiert daherreden, dann kümmert Strahler das wenig. „Da darf man auch ein bisschen taub sein“, bemerkt sie gelassen. Eine vorbildliche Aussage, oder nicht? Ist sie das? Ein Vorbild? In diesem Punkt wird die Professorin ernster. Eine Vorbildfunktion ergäbe sich praktisch qua Amt und sei daher ein grundlegender Bestandteil ihrer Arbeit. Die eigenen Vorbilder waren zumeist Menschen im direkten Umfeld, etwa Kolleg*innen und auch Vorgesetzte jeglichen Geschlechts. Dennoch erklärt Strahler überzeugt: „Mädchen brauchen weibliche Vorbilder, man muss ja das Ziel sehen“. Denen, die die bereits eine Karriere in der Wissenschaft verfolgen, empfiehlt sie daher sich mit anderen Frauen über Probleme im Wissenschaftsbetrieb auszutauschen und sich Mentoring einzuholen. Strahler war selbst Teil von ‚ProProfessur‘, einem Mentoringprogramm des Landes Hessen zur Frauenförderung in der Wissenschaft. Warum hat sie sich dazu entschieden? „Einfach um mal zu sehen und zu hören, wie‘s läuft als Professorin. Das hat für mich nochmal die Frage aufgeworfen: Okay, will ich das überhaupt? Wie gehe ich damit um? Und dann die Möglichkeit zu haben, sich auch ein bisschen ausprobieren in einem geschützten Rahmen.“ Wer es ihr gleichtut, wird vielleicht auch in ein Geheimnis der universitären Arbeitswelt eingeweiht: „Du musst nicht über jede Hürde. Manchmal ist außen herumgehen auch super.“

Portrait von Akhnaten Nketia

Akhnaten Nketia studiert Politikwissenschaft und Germanistik an der Universität Freiburg. Seit der Eins in Deutsch und der Vier in Physik, hat der gebürtige Stuttgarter den Traum Erfinder zu werden aufgegeben und versucht sich jetzt als Nachwuchsjournalist. Er interessiert sich besonders für die deutsche Außenpolitik, die Regionen West- und Ostafrika, sowie für deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Sein bisher wichtigster Artikel handelt von den Hintergründen des Kriegs in Tigray und wurde in der Hamburger Monatszeitung „Analyse & Kritik“ veröffentlicht. Aktuell befindet er sich in seinem letzten Studiensemester in Freiburg. Nach ruhigen Jahren in der südbadischen Idylle, soll es für das Master-Studium dann in eine größere Stadt gehen.