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Plastikverschmutzung schädigt Bienen

Freiburg, 15.10.2024

Eine neue Übersichtsstudie in Nature Communications zeigt erstmals systematisch die schädlichen Auswirkungen von Nano- und Mikroplastik auf Bienen und andere Nutzinsekten. Ihre Funktion als Bestäuber wird durch die Plastikpartikel beeinträchtigt. Das birgt Risiken für die globale Ernährungssicherheit.

Nano- und Mikroplastikpartikel (NMP) belasten zunehmend urbane und ländliche Landschaften, wo Bienen und andere Nutzinsekten mit ihnen in Kontakt kommen. Nehmen die Insekten Plastikpartikel über die Nahrung oder die Luft auf, kann das ihre Organe schädigen und Verhaltensveränderungen verursachen, sodass sie wichtige ökologische Funktionen wie die Bestäubung und Schädlingsbekämpfung nicht länger gut erfüllen können. Die Plastikverschmutzung birgt daher erhebliche Risiken für die Artenvielfalt, die landwirtschaftliche Produktion und die globale Ernährungssicherheit. Das sind die zentralen Erkenntnisse einer neuen Übersichtsstudie im Journal Nature Communications, die von einem internationalen Team unter Beteiligung der Universität Freiburg erstellt wurde.

Plastik gelangt aus Folien, Düngemitteln, Wasser und Luft auf Ackerböden

Eine Mörtelbiene trägt ein Stück PE-Schaumstoff in ihr Nest.
Eine Mörtelbiene trägt ein Stück PE-Schaumstoff in ihr Nest. Bild: Felix Fornoff

Mikroplastikpartikel sind zwischen einem Mikrometer und fünf Millimeter groß, noch kleinere Partikel werden als Nanoplastik bezeichnet. Während die schädlichen Effekte von NMP in Gewässern und für einzelne Arten gut dokumentiert sind, fehlte es bislang an systematischen Übersichtsarbeiten, wie sich die Partikel auf Agrarökosysteme auswirken. Um diese Lücke zu schließen, fassten die Autor*innen der Übersichtsstudie nun erstmals 21 bereits veröffentlichte Einzeluntersuchungen zusammen. Ihr Interesse galt dabei besonders der Frage, wie Bestäuberinsekten und andere Nützlinge mit NMP in Kontakt kommen und welche Folgen die Aufnahme der Partikel für die Insekten, aber auch für die von ihnen abhängigen Ökosysteme und die landwirtschaftliche Produktion hat.

So konnten die Forschenden zunächst verschiedene Quellen identifizieren, aus denen NMP auf landwirtschaftlich genutzte Flächen gelangen, darunter Plastikfolien, Düngemittel, verschmutztes Wasser und atmosphärische Ablagerungen. Die Plastikpartikel reichern sich in Böden an und werden von Bestäubern und von Nutzinsekten, die für die Schädlingsbekämpfung wichtig sind, über die Luft und die Nahrung aufgenommen oder im Nestbau verwendet.

Schädigung der Bienen könnte zu sinkender landwirtschaftlicher Produktion führen

Durch die Aufnahme von NMP könne es bei Bienen beispielsweise zu Schäden am Verdauungssystem, zur Schwächung des Immunsystems und zu Verhaltensänderungen kommen, stellen die Studienautor*innen fest. Dadurch würden die Bienen beispielsweise anfälliger für Krankheiten und könnten Pflanzen möglicherweise weniger effektiv bestäuben. „Wir finden Mikroplastik im Darm von Bienen und sehen, wie Wildbienen Plastik zum Nestbau nutzen. Wir müssen daher dringend erforschen, welche Wechselwirkung dies mit anderen Stressoren, wie dem Klimawandel, für die Bienen und ihre Bestäubungsleistungen hat“, sagt Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein, Ko-Autorin der Studie und Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg. Eine sinkende Bestäubungsleistung wirkt sich nachteilig auf den Ertrag von Nutzpflanzen aus. Die Plastikverschmutzung könne so bestehende Unsicherheiten bei der globalen Nahrungsmittelversorgung weiter verschärfen, warnen die Forschenden.

Portraitbild von Frau Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein.

„Wir finden Mikroplastik im Darm von Bienen und sehen, wie Wildbienen Plastik zum Nestbau nutzen. Wir müssen daher dringend erforschen, welche Wechselwirkung dies mit anderen Stressoren, wie dem Klimawandel, für die Bienen und ihre Bestäubungsleistungen hat.“

Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein

Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Universität Freiburg

Wechselwirkungen mit anderen Umweltstressoren verstärken das Problem

Darüber hinaus verstärken NMP auch die Gefahren, die von anderen Umweltstressoren wie Pestiziden, chemischer Verschmutzung, Pilzen und Krankheitserregern ausgehen. In einigen Gebieten bildeten sich beispielsweise „Hotspots“ der Wechselwirkung zwischen Plastikpartikeln und schädlichen Viren. Solche Interaktionen könnten zu besonders gravierenderen Effekten von NMP auf Bestäuber und damit auf die Stabilität des Nahrungsmittelsystems führen.

Die Forschenden betonen jedoch auch die Beschränkungen ihrer Übersichtsarbeit. So gäbe es kaum Daten zu wichtigen Bestäubern und Nützlingen wie Hummeln und Marienkäfern. Auch sei es bei der derzeitigen Datenlage nicht möglich, die Wirkungen verschiedener NMP-Größen und -Mengen differenziert zu beschreiben. Um das wachsende Problem der Plastikverschmutzung besser zu verstehen und Lösungen dafür finden zu können, brauche es dringend weitere Forschungsarbeiten. „Schon jetzt ist aber klar: Die Plastikverschmutzung muss dringend politisch gesteuert werden“, sagt Klein.

An der Studie waren Forschende der Westlake University (Hangzhou/China), der Zhejiang University, (Hangzhou/China), der Fudan University (Shanghai/China) sowie der Universitäten Freiburg und Tübingen beteiligt.

Faktenübersicht

  • Originalpublikation: Dong Sheng, Siyuan Jing, Xueqing He, Alexandra-Maria Klein, Heinz-R. Köhler & Thomas C. Wanger (2024). Plastic pollution in agricultural landscapes: an overlooked threat to pollination, biocontrol and food security. In: Nature Communications 15, 8413. DOI: 10.1038/s41467-024-52734-3
  • Alexandra-Maria Klein ist seit 2013 Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Im Zentrum ihrer Forschung stehen Fragen nach dem Zusammenspiel von Ökosystemen und Biodiversität, wie zum Beispiel nach der Rolle von Bienenvielfalt für die Bestäubung in sich verändernden Ökosystemen.

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