Freiburg, 26.11.2024
Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg und des Exzellenzclusters CIBSS der Universität Freiburg entdecken, wie Mitochondrien nicht nur Energie produzieren, sondern auch Entzündungen beeinflussen
Ob Zellen im menschlichen Körper unter Stress überleben oder sterben, hängt unter anderem von ihren Mitochondrien ab. Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg haben nun gezeigt, dass ein plötzlicher Stopp der Energieproduktion in diesen „Kraftwerken“ der Zellen den normalen Zelltod verhindert und stattdessen eine Entzündungsreaktion auslöst. Die Ergebnisse dieser Forschung wurden am 20. November 2024 im Fachjournal Immunity veröffentlicht.
„Wir haben festgestellt, dass die Mitochondrien eine Art Entscheidungshilfe bieten: Sie regulieren, ob eine Zelle in den sauberen, stillen Zelltod übergeht oder entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Olaf Groß, Wissenschaftler am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg und Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. „Diese Erkenntnis hilft uns besser zu verstehen, wie der Körper Zellschutz und Abwehrmaßnahmen in Balance hält. Das könnte neue Wege für die Behandlung entzündlicher Erkrankungen eröffnen.“ Die Forschungsarbeit wurde im Rahmen mehrerer Sonderforschungsbereiche der Universität Freiburg gefördert.
Die universelle „Brennstoffquelle“ für zelluläre Aktivitäten ist ATP (Adenosintriphosphat). Wenn das ATP in den Mitochondrien stark sinkt, bleibt ein für den Zelltod wichtiges Eiweiß, das sogenannte Cytochrom c, in den Mitochondrien gefangen, und die Zelle stirbt nicht ab, auch wenn sie von außen das Signal dazu erhält. Stattdessen aktivieren die Mitochondrien Mechanismen, die eine Entzündungsreaktion auslösen, welche das Gewebe in Alarmbereitschaft versetzt und auf eine mögliche Bedrohung vorbereitet.
Die Forschenden entdeckten jetzt, dass ein spezieller „Sensor“ in den Zellen, das sogenannte NLRP3, aktiviert wird, wenn die Mitochondrien ihre Energieproduktion einstellen. Für die Aktivierung des NLRP3-Sensors braucht es jedoch noch ein zweites Signal von anderen Bereichen der Zelle. Dieser sogenannte „Zwei-Signal-Mechanismus“ stellt sicher, dass nur bei ernsthaften Gefahren eine Entzündung ausgelöst wird, wodurch gesunde Zellen geschützt bleiben. So kann der Körper gezielt auf Bedrohungen reagieren und verhindert gleichzeitig unnötige Entzündungen, die das Gewebe schädigen könnten.
Diese Entdeckung könnte für die Behandlung von Krankheiten hilfreich sein, bei denen entzündliche Prozesse eine Rolle spielen – etwa bei Gicht, Diabetes Typ 2 oder auch schweren Verläufen von COVID-19.
„In Zukunft könnten Medikamente gezielt darauf abzielen, die Mitochondrien oder die Aktivierung von NLRP3 zu beeinflussen, um Entzündungen besser zu kontrollieren und einerseits Schäden an gesundem Gewebe zu vermeiden, andererseits die Infektabwehr oder die Abstoßung von Krebs durch das Immunsystem zu fördern.“