Der Historiker Prof. Dr. Jörn Leonhard, Inhaber der Professur für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas an der Universität Freiburg, erhält den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2024. Das hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am 7. Dezember 2023 bekanntgegeben. Jörn Leonhard erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der europäischen und transatlantischen Kultur- und Politikgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die mit 2,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung gilt als wichtigster Forschungs-förderpreis in Deutschland.
Leonhard ist einer von insgesamt zehn Preisträger*innen, die vom zuständigen Auswahlausschuss aus 150 Vorschlägen ausgewählt wurden. Bisher haben insgesamt 14 Wissenschaftler*innen der Universität Freiburg den renommierten Preis erhalten.
„Ich gratuliere Jörn Leonhard herzlich zur Verleihung des Leibniz-Preises“, sagt Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. „Mit seiner Arbeit leistet Professor Leonhard einen herausragenden Beitrag für das Verständnis der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert und ihre Auswirkungen bis in die Gegenwart. Er prägt das Historische Seminar der Universität Freiburg sowie unter anderem vor dem Hintergrund ihres neuen Forschungsprofils die gesamte Entwicklung der Universität maßgeblich mit.“
„Ich freue mich sehr über diese besondere Auszeichnung meiner Arbeit“, sagt Jörn Leonhard. „Darin erkenne ich auch eine Wertschätzung der Geschichtswissenschaft, ihrer methodischen Innovationsfähigkeit und ihrer Relevanz für Fragen unserer Gegenwart. Forschung braucht einen Ort, einen Raum und ein spezielles Klima – und ich weiß, wieviel ich dieser Universität, der großzügigen Förderung meiner Arbeit, den Anregungen durch Kolleginnen und Kollegen, dem Austausch mit herausragenden Postdocs, Doktorierenden und Studierenden verdanke.“
Jörn Leonhard wurde nach seinem Studium in Heidelberg und Oxford/Großbritannien 1998 an der Universität Heidelberg promoviert. Nach einem Research Fellowship an der Universität Oxford zwischen 1998 und 2003 habilitierte er sich 2004 an der Universität Heidelberg im Fach Neuere Geschichte und nahm 2004 zunächst einen Ruf an die Universität Jena an, bevor er 2006 an die Universität Freiburg wechselte. Rufe an die Humboldt Universität zu Berlin, nach Jena, Bochum und an das Kulturwissenschaftliche Institut Essen lehnte er ab.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der europäischen Geschichte und in globalhistorischen Perspektiven auf das 19. und 20. Jahrhundert, vor allem zu den Themen Krieg und Frieden, Imperien und Nationalstaaten sowie Liberalismus und Nationalismus. Methodisch orientieren sich seine Arbeiten an der Trias von Vergleich, Transfer und Verflechtung. 2014 veröffentlichte er die Monografie „Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs“, die vielfach ausgezeichnet wurde und auch international als Standardwerk über den Ersten Weltkrieg gilt. 2018 folgte das Buch „Der überforderte Frieden: Versailles und die Welt 1918-1923“. Derzeit arbeitet er an dem Fortsetzungsband im Rahmen des Forschungsprojekts „Die Krisen der Welt. Eine Globalgeschichte 1918-1941“, das die Volkswagenstiftung 2021 mit einer Opus-Magnum-Förderung auszeichnete. 2023 erschienen von ihm zwei Monografien: „Empires. Eine globale Geschichte 1780-1920“ (zusammen mit Ulrike von Hirschhausen) und zuletzt „Über Kriege und wie man sie beendet“.
2010 erhielt Jörn Leonhard den Landesforschungspreis Baden-Württemberg für Grundlagenforschung. Er ist Ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Fellow der Royal Historical Society London und Honorary Fellow am Wadham College der Universität Oxford.
An der Universität Freiburg ist Jörn Leonhard einer der drei Sprecher*innen der Exzellenzclusterinitiative „Constitution as Practice in Times of Transformation“ (ConTrans). Ihr Ziel ist, eine internationale und interdisziplinäre Verfassungsforschung im Verbund von Geistes- und Gesellschaftswissenschaften zu etablieren. Damit stärkt diese Initiative ein innovatives Verständnis des Umgangs mit Verfassungen und Verfasstheit und fragt von der Antike bis ins 21. Jahrhundert und im globalen Vergleich danach, was Gesellschaften und politische Systeme zusammenhält oder was Integration scheitern lässt. In einer von vielfältigen Krisen gekennzeichneten Gegenwart unterstreicht diese Forschungsinitiative exemplarisch die Bedeutung der historisch orientierten, interdisziplinär ausgerichteten Geistes- und Sozialwissenschaften.