Siegelement der Uni Freiburg in Form eines Schildes

Human Remains kehren nach Hause zurück

Freiburg, 08.10.2025

Universitäten Göttingen und Freiburg übergeben Gebeine aus Sammlungen an die Republik Marshallinseln.

Eine Gruppe von Menschen vor einem Tisch mit mehreren Kisten und Blumensträußen.
Vertreterinnen und Vertreter der an der Übergabe beteiligten Institutionen mit der Delegation der Republik Marshallinseln. Foto: Uni Göttingen / Peter Heller

Die Universitäten Göttingen und Freiburg haben human remains an eine Delegation der Republik Marshallinseln zurückgegeben. Die formelle Übergabe fand am Dienstag, 7. Oktober 2025, in Göttingen statt.

“Dies ist das erste Mal, dass wir Vorfahren, die wir verloren hatten, wieder nach Hause zurückbringen“, sagte Doreen deBrum, Botschafterin der Marshallinseln beim Büro der Vereinten Nationen in Genf. „Es ist für uns ein wichtiger Moment. Es geht darum, die Würde unserer Vorfahren wiederherzustellen, sie wieder mit ihrem Heimatland zu verbinden. Und indem wir sie nach Hause holen, ehren wir sowohl ihr Andenken als auch unsere gegenwärtige Gemeinschaft. So können wir mit Würde und Menschlichkeit in die Zukunft schauen.“

Die Gebeine von vier Individuen stammen aus Enewetak, einem Atoll, das aus etwa 40 Inseln mit einer Gesamtlandfläche von knapp sechs Quadratkilometern besteht. Paul Merz, Stationsleiter der Marshallinseln, verkaufte die Schädel 1913 an das damalige Museum für Völkerkunde in Hamburg. Wie sie in seinen Besitz gelangten, lässt sich nicht genau rekonstruieren.

Ab 1911 versuchte die deutsche Kolonialverwaltung, die Marshallinseln enger in das System der wirtschaftlichen Ausbeutung einzubinden. Dazu wurden unter der Leitung des Stationsleiters Merz die nutzbaren Landflächen verschiedener Inseln und Atolle, darunter auch Enewetak, im Jahr 1912 vermessen. Wahrscheinlich kam Merz im Zuge dieser Besuche auf Enewetak in den Besitz der Gebeine.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde die Anthropologische Sammlung des Museums für Völkerkunde in Hamburg, heute Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK), an die Universität Göttingen abgegeben. Darunter waren die human remains der vier Individuen aus dem Enewetak-Atoll, das heute zur Republik Marshallinseln gehört.

Die human remains von vier weiteren Individuen von den Marshallinseln, die sich in der Anatomisch-anthropologischen Sammlung (sogenannte Alexander-Ecker-Sammlung) der Universität Freiburg befanden, stammen vom Jaluit-Atoll (Marshallinseln). Sie gelangten über Netzwerke wie das Museum Godeffroy, private Händler oder Privatsammler nach Deutschland, die sie der Universität Freiburg verkauften oder stifteten.

„Die Rückgabe der menschlichen Überreste ist ein wichtiger Schritt im Umgang mit unserem kolonialen Erbe“, sagte Falko Mohrs, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. „Wir können das Leid der Kolonialzeit nicht ungeschehen machen, aber zumindest die unantastbare Würde der Verstorbenen wiederherstellen und ihr Schicksal ins Bewusstsein rufen. Als Land Niedersachsen begrüßen wir es sehr, dass wissenschaftliche Sammlungen kritisch untersucht und historische Ungerechtigkeiten aufgearbeitet werden.“ „Restitutionen aus der Kolonialzeit sind ein Thema, für das sich die Universität Göttingen schon seit Jahren sehr engagiert“, erklärte Göttingens Universitätspräsident Prof. Dr. Axel Schölmerich. „Nach den Rückgaben an Hawaii, Neuseeland und Palau ist die Übergabe an die Republik Marshallinseln der jüngste Schritt in diesem Unterfangen. Dabei geht es uns auch um eine angemessene Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit unserer Sammlungen.“ Diese werden aktuell in einem vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Projekt auf Provenienzen aus kolonialen Kontexten untersucht. Auch der Senat der Universität Göttingen hatte in den vergangenen Jahren die Verantwortung der Universität für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und für produktive, zukunftsgerichtete Kontakte mit postkolonialen Gesellschaften unterstrichen.

Die Universität Freiburg betrachtet es ebenfalls als Teil ihrer historischen und ethischen Verantwortung, die Geschichte der Anatomisch-anthropologischen Sammlung (sogenannte Alexander-Ecker-Sammlung) sowie den Umgang mit sterblichen Überresten aus kolonialen Kontexten weiterhin kritisch aufzuarbeiten und menschliche Gebeine an ihre Herkunftsgemeinschaften zurückzuführen. In den vergangenen Jahren erfolgten in enger Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg Restitutionen von human remains an Herkunftsgemeinschaften nach Namibia, Australien und Hawaii.

Portrait von Ministerin Olschowski.

„Wir übernehmen die Verantwortung für das Unrecht der Vergangenheit. Dass wir die in der Kolonialzeit ohne Zustimmung der Angehörigen und teils sogar gewaltsam entwendeten sterblichen Überreste zurückgeben, ist mir auch persönlich ein sehr wichtiges Anliegen. Ich danke den Vertreterinnen und Vertretern der Marshallinseln für ihr großes Engagement – gemeinsam schaffen wir einen Schritt zu einer ehrlicheren Aufarbeitung unserer Geschichte.“

Petra Olschowski

Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst

„Wir übernehmen die Verantwortung für das Unrecht der Vergangenheit“, so Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski. „Dass wir die in der Kolonialzeit ohne Zustimmung der Angehörigen und teils sogar gewaltsam entwendeten sterblichen Überreste zurückgeben, ist mir auch persönlich ein sehr wichtiges Anliegen. Ich danke den Vertreterinnen und Vertretern der Marshallinseln für ihr großes Engagement – gemeinsam schaffen wir einen Schritt zu einer ehrlicheren Aufarbeitung unserer Geschichte.“

„Wir verneigen uns vor den Menschen, deren Gebeine heute in ihre Heimat zurückkehren“, so Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Freiburg. „Mit dieser Restitution verbinden wir die Hoffnung, einen Beitrag zu Heilung und Gerechtigkeit zu leisten. Die damalige Aneignung erfolgte im Namen einer vermeintlichen Wissenschaft, die koloniale Machtverhältnisse fortschrieb. Heute treten wir ihr mit kritischer Aufarbeitung der eigenen universitären Geschichte, Verantwortung und Respekt gegenüber den Herkunftsgesellschaften entgegen.“

Portraitbild von Prof. Dr. Kerstin Krieglstein

„Wir verneigen uns vor den Menschen, deren Gebeine heute in ihre Heimat zurückkehren. Mit dieser Restitution verbinden wir die Hoffnung, einen Beitrag zu Heilung und Gerechtigkeit zu leisten. Die damalige Aneignung erfolgte im Namen einer vermeintlichen Wissenschaft, die koloniale Machtverhältnisse fortschrieb. Heute treten wir ihr mit kritischer Aufarbeitung der eigenen universitären Geschichte, Verantwortung und Respekt gegenüber den Herkunftsgesellschaften entgegen.“

Prof. Dr. Kerstin Krieglstein

Rektorin, Universität Freiburg

Neue Stelle zur Aufarbeitung kolonialer Wissenschaftsgeschichte an der Universität Freiburg

Die Rückgabe der menschlichen Überreste an die Marshallinseln ist Teil eines umfassenderen Prozesses der kritischen Auseinandersetzung mit den kolonialen Wissenschaftssammlungen der Universität Freiburg. Seit 1. September 2025 forscht Dr. Christoph Balzar zur Provenienz der Anatomisch-anthropologischen Sammlung (sogenannte Alexander-Ecker-Sammlung), insbesondere zu hunderten Schädeln aus kolonialen Gewaltkontexten. Die sterblichen Überreste dieser Menschen dienten im 19. und frühen 20. Jahrhundert als „Beweismaterial“ für rassistische Theorien, die wiederum den deutschen Kolonialismus und später auch rassepolitische Vorstellungen des Nationalsozialismus vermeintlich legitimierten. Das Projekt „Provenienzforschung zu kolonialen Wissenschaftssammlungen“ ist auf fünf Jahre angelegt und am Prorektorat für Universitätskultur angesiedelt. Es wird jeweils zur Hälfte von der Universität Freiburg und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert. Es zielt darauf ab, die Herkunft dieser menschlichen Gebeine zu rekonstruieren, um ihre Rückkehr an die Herkunftsgesellschaften zu ermöglichen. Gleichzeitig soll dadurch auch die Verstrickung der Freiburger Anthropologie und anderer Wissenschaftsdisziplinen in koloniale Gewalt aufgearbeitet werden. „Das Projekt ist ein zentraler Baustein unserer Bemühungen, transparente Lösungen für den Umgang mit kolonialen Wissenschaftssammlungen zu entwickeln“, sagt Prof. Dr. Sylvia Paletschek, Prorektorin für Universitätskultur.

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