Siegelement der Uni Freiburg in Form einer Blume

Bildung für die digitale Welt: Selbstbestimmtes Lernen und digitale Darstellung von Lerninhalten

Digitalisierung als Herausforderung für alle Fachbereiche: Ein Beispiel aus der Lehre für künftige Biologielehrkräfte von Dr. Anne Liefländer, Lehrentwicklerin des Master of Education Biologie.

Lehrprojekt „Flipped Classroom mit E-Portfolio“

Ein Seminar im Flipped Classroom-Szenario mit E-Portfolio als Prüfungsform – so lässt sich meine innovative, ILIAS-basierte Veranstaltung am konkretesten beschreiben. In hochschuldidaktischen Fortbildung habe ich mich intensiv mit Lehrszenarios und Prüfungsformen auseinandergesetzt. Mein Ziel war es für diese Lehramtsveranstaltung keine klassische Vorlesung mit abschließender Klausur zu konzipieren. Entstanden ist ein Seminar zu fachspezifischen Inhalten (Humanbiologie für Lehrämtler*innen), welches von mir in Kooperation mit vier weiteren Lehrpersonen mit entsprechender Fachexpertise ausgebracht wird. Der Fokus liegt auf dem interaktiven Austausch zwischen den Studierenden und den Lehrpersonen, aber auch auf der Interaktion der Studierenden untereinander. Zusätzlich zielt die Veranstaltung darauf ab, selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Lernen zu fördern und die Planungskompetenz künftiger Lehrkräfte zu erhöhen.

Abb. 2: Gruppenarbeit in der Präsenzphase,  Fotografin: Dr. Liefländer

Der Ablauf der Veranstaltung im Flipped Classroom sieht vor, dass die Studierenden sich „zu Hause“ Wissen aneignen, welches „vor Ort“ gemeinsam besprochen wird. Die Studierenden beschäftigen sich in Eigenregie orts- und zeitunabhängig mit den Lerninhalten, die von den Lehrpersonen über ILIAS zur Verfügung gestellt werden. Diese Darstellung der Lerninhalte hat Vorbildfunktion, da sie unterschiedliche digitale Medien beispielhaft zeigen (vertonte PowerPoint, Lehrvideos, Text-Test-Kombination, u.a.). Die Inhalte sind in „Häppchen“ aufgeteilt und werden semesterbegleitend durchlaufen. Auf eine Selbstlernphase folgt immer eine Präsenzphase, in der sich die Studierenden mit der jeweiligen Lehrperson treffen. Dort werden – basierend auf vorgegebenen Lernzielen – Unklarheiten besprochen und die Studierenden überprüfen in Einzel- und/oder Gruppenarbeit Ihr Verständnis mit Hilfe von Anwendungs- und Vertiefungsaufgaben.

Zu jedem fachspezifischen Inhalt schreiben die Studierenden ein E-Portfolio (digitale Sammlung von bearbeiteten Aufgaben). Hierfür können sie aus drei Aufgabenvorschlägen auswählen, welche die Inhalte unter verschiedenen Schwerpunkten beleuchten. Alternativ können sie selbst eine passende Aufgabe vorschlagen. Zu meinem inhaltlichen Schwerpunkt „Fortpflanzung und Entwicklung“ können die Studierenden z.B. ihren Fokus auf den „Vorgang der Befruchtung- und Embryoentwicklung“ legen oder auf „Geschlechtsorgane und Intergeschlechtlichkeit“. Als Format für die Portfolioeinlage werden verschiedene Darstellungsweisen empfohlen: Essay, Poster, PodCast oder Video. Die unterschiedlichen Formate fördern die Medienkompetenz für den späteren Lehrberuf. Eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung bei der Erstellung kann zum Einsatz digitaler Lehre ermutigen, weshalb die Erstellung von PodCast und Video in Partnerarbeit zugelassen wurde. Im Kommentar zur Portfolioeinlage reflektieren die Studierenden u.a. über die vorgegebenen Lernziele und inwiefern sie diese mit ihrer Einlage erreicht haben.

Ungewöhnlich, und damit auch von den Studierenden als herausfordernd empfunden, ist die kontinuierliche, semesterbegleitende Notwendigkeit, die Inhalte zu lernen und für die nächste Präsenzphase selbstständig vorzubereiten. Das gilt auch für das semesterbegleitende Schreiben von Portfolioaufgaben, welches durch fakultative Fristen während des Kursverlaufs gefördert wird. Für mich selbst und meine Kolleg*innen wiederum liegt die Herausforderung darin, die Lerninhalte in verdaubare „Häppchen“ zu verpacken, Inhalte zu reduzieren und die Studierenden zu ermuntern, semsterbegleitend zu lernen und Portfolioaufgaben bereits während des Semesters abzugeben. Nur so können wir Lehrpersonen den Studierenden ein Feedback gegeben werden, welches für nachfolgende Portfolioaufgaben wertvoll ist und den Lernstand der Studierenden im Prozess kommentiert.

 

Abb. 3: Ausschnitt aus dem Erklär-Video zum „Flipped Classroom“. Regie und Produktion: Florian Diez und Pit Albert. Produktion: Dr. Anne Liefländer

Das Flipped Classroom-Szenario ist fast universell einsetzbar und kann auf alle Lehrveranstaltungen übertragen werden. Es ist dort sinnvoll, wo die Studierende sich selbstständig Wissen aneignen und in der Gruppe aktiv z.B. in einer Diskussion, damit auseinandersetzen sollen. Ein*e Teilnehmer*in sagt zum Konzept: „Ich schätze die erforderliche Eigenständigkeit der Studenten beim Modell „Flipped Classroom“ für sehr wertvoll für meinen künftigen Lehrerberuf ein. Außerdem habe ich aus den Präsenzphasen, die sehr praktisch konzipiert waren, wertvolle Tipps für meine spätere Unterrichtsplanung ziehen können.“ Der Einsatz von E-Portfolios ist empfehlenswert, wenn die Studierenden Kompetenzen erwerben sollen, die sich von denjenigen Kompetenzen unterscheiden, die für die Vorbereitung auf eine Klausur oder mündliche Prüfung gelten. Im gezeigten Beispiel wären dies z.B. Planungs- und Medienkompetenz.

Aus meinen Erfahrungen mit dem Lehrprojekt habe ich einige konkrete ILIAS-Tipps extrahiert, die die Lehre dank ILIAS erleichtern bzw. verbessern können.

ILIAS-basierte Anwendungstipps

Meine Tipps für die Anwendung auf ILIAS sind teils einfach und können von E-Learning-Anfänger*innen umgesetzt werden; andere Vorschläge benötigen ein höheres Maß an Expertise und sind nur für erfahrende E-Learning/ILIAS-Lehrpersonen zu empfehlen. Die Fragen/Vorschläge sind von leicht nach schwer sortiert. In der Veranstaltung „Biologie des Menschen“ habe ich eine Nutzungsanalyse durchgeführt, die einen Einblick gibt, welche Wirkung ich auf studentischer Seite beobachtete.

1. Beantworten Sie immer die gleichen organisatorischen Fragen zu Ihrer Veranstaltung

Führen Sie für Ihre Veranstaltung (oder auch Studiengang etc.) ein Forum auf ILIAS zu organisatorischen (und technischen) Fragen ein.

Tipps:

Nutzungsanalyse: In der Pilotstudie der Veranstaltung wurden 54 Beiträge von 19 Studierenden (Gesamtzahl = 47 Studierende) in das Forum gepostet und das Forum wurde insgesamt 815-mal besucht. Im Folgejahr nach der Pilotstudie (WS 2018/2019) sind die Fragen im Forum zurückgegangen. Dies liegt sehr wahrscheinlich am neuen Kurseinstieg (siehe Tipp 4) auf ILIAS, der Erklärvideos enthält. Es wurden ca. 2/5 weniger Beiträge und ½ weniger Besuche (33 Beiträge von 21 Studierenden und 442 Besuche; Gesamtzahl = 56 Studierende) im gleichen Zeitraum gezählt. In beiden Jahren wurden leere Foren eingestellt.

2. Gibt es regelmäßig bei der Abgabe von Aufgaben Studierende, die die Abgabefrist verpassen?

Nutzen Sie die ortsunabhängige, digitale Abgabe von Aufgaben mittels ILIAS-Übungen/Einreichungsaufgabe und wählen Sie eine „Nachfrist“.

Nutzungsanalyse: Die Nutzungsanalyse basiert auf den Studierenden im Master of Education (n = 26) für die die Veranstaltung mit einer Prüfungsleistung verbunden ist (alter Studiengang GymPO: Studienleistung). Analysiert wurden die ersten vier Deadlines (bis Ende Dezember). Vier der 26 Personen haben noch keine fakultative Deadline genutzt, sieben Studierende haben alle vier Abgabetermine genutzt:

3. Stellen Ihre Studierenden Fragen zum Lernmaterial, auf die Sie keine spontanen Antworten geben können / die einer kurzen Recherche im Vorfeld bedürften?

Lassen Sie die Rückfragen bis zu einem festgelegten Zeitpunkt auf ILIAS abgeben. Empfehlenswert ist hierfür eine ILIAS-Datensammlung, die als Fragensammlung umfunktioniert wird.

Nutzungsanalyse: Da die Abgabe verpflichtend war, wurden immer ca. 63 Fragen abgegeben. Wenige Studierende gaben dabei mehr als eine Frage ab, nie aber mehr als vier Fragen. Nur vier Studierende haben zwischen Semesterstart und Ende Dezember 2019 drei (oder vier) Mal die Abgabe vergessen. Zukünftig wird die Abgabe wieder fakultativ sein, weil wir Lehrpersonen mittlerweile einen sehr guten Einblick in die Verständnisprobleme erhalten haben, mit dem wir in der Präsenz arbeiten.

4. Erläutern Sie jedes Jahr wiederholt den Veranstaltungsablauf und/oder die Prüfungsmodalitäten?

Nutzen Sie ILIAS, um Ihren Studierenden die organisatorischen Aspekte der Veranstaltung zu vermitteln. Dort können die Studierenden auch später nachlesen, wenn sie Informationen vergessen haben.

Nutzungsanalyse: Auf das ILIAS-Lernmodul wurde von allen Studierenden (n = 56 plus Lehrpersonen und Hiwis) zugegriffen. Insgesamt wurden über 600 Zugriffe auf das Lernmodul gezählt. In der anonymen ILIAS-Datensammlung wurden 19 Fragen für die Vorbesprechung abgegeben. Das meist-gesehene Erklärvideo beschreibt die Prüfungsform E-Portfolio und wurde bis Ende Dezember 256-mal aufgerufen.

5. Ist Ihr ILIAS-Kursraum mittlerweile gewachsen und/oder unübersichtlich geworden?

ILIAS stellt für die Kursraumgestaltung ein Responsive Design (Responsives Spaltenlayout) und die Möglichkeit eines eigenen Style-Sheets (Oberflächen-formatierung) bereit (Beispiel siehe Abb. 4). Diese Kursdarstellung ist nur für „ILIAS Power-User“ mit hoher Expertise umsetzbar. Sie ist jedoch dann sinnvoll, wenn Ihre ILIAS-Kursseite sehr lang oder unübersichtlich und die Nutzung für die Studierenden nicht mehr intuitiv ist.
Abb. 4: ILIAS-Kursdesign der Veranstaltung „Biologie des Menschen“ mit Responsive Design und eigenem Style Sheet. Kursdarstellung auf breitem Bildschirm.

 Abb. 5: Kursdarstellung auf schmalem Bildschirm (unterer Kursteil für die Darstellung im Dokument abgeschnitten).

Tipps

Nutzungsanalyse: In einer abschließenden ILIAS-Umfrage wurden die Studierenden zum Kurslayout und der Orientierung im ILIAS-Kurs befragt. In den durchgängig positiven Rückmeldungen wurden Schlageworte wie ansprechend, übersichtlich, modern, zeitgemäß oder auch logische Struktur, oder Erklärvideos genannt. Nicht sofort intuitiv wurde es empfungen, dass organisatorische Informationen zum Kurssetting (Flipped Classroom) und Informationen zur Prüfungsform (Portfolio) getrennt waren, wodurch teilweise die Orientierung erst nach einer Eingewöhnung gegeben war. Hier ist eine Umstrukturierung vorgesehen, die alle wichtigen Informationen an einem Ort zusammenführt.

Preise

Weitere Artikel über die Arbeit von Dr. Anne Liefländer finden Sie hier:

https://www.face-freiburg.de/2019/e-learning-foerderpreis-an-lieflaender/
https://www.face-freiburg.de/2019/face-beim-workshop-ladigital2019/

 

Dr. Anne Liefländer

FACE-Maßnahme L3: professionsorientierte Lehre, Lehrentwicklerin Master of Education Biologie