Siegelement der Uni Freiburg in Form einer Blume

#bioökonomieinsbildrücken – Ausstellungseröffnung von Freiraum-Preisträgerinnen Lea Breitsprecher, Sarah May und Silke Weiß am 25. Mai 2023

Die Kulturanthropologinnen Lea Breitsprecher M.A., Dr.in Sarah May und Silke Weiß M.A. konnten 2022 ein Freiraum-Projekt einwerben, das neben seinem innovativen Lehrkonzept besonders durch sein gesellschaftliches Engagement hervortritt. Die Früchte dieser Arbeit werden nun der breiten Öffentlichkeit zugängig gemacht: Neben dem Launch einer neuen Website zur Bioökonomie wird es auch Ausstellungen im urbanen Raum geben, womit Lea Breitsprecher, Sarah May und ihren studentischen Mitarbeiterinnen Isabel Gana Dresen, Jasmin Petrowski und Luzia Praxenthaler ein vorbildhafter Brückenschlag gelingt und die Relevanz universitärer Lehr- und Forschungsarbeit in die Gesellschaft hinausträgt.

Aber was ist eigentlich Bioökonomie? Wir alle kamen sehr wahrscheinlich schon damit in Berührung – und sei es nur, dass der Supermarkt um die Ecke statt Plastiktüten für Obst und Gemüse nun auf Folien auf Maisbasis setzt. Oder das Stadtbild immer mehr von wiederverwendbaren Coffee-To-Go-Bechern aus Bambusfasern geprägt wird statt des Einweg-Modells. Denn Bioökonomie meint im Kern genau das: Fossile Rohstoffe durch biobasierte Materialien zu ersetzen. Mit „Bioökonomie ins Bild rücken“ gelang es der Projektgruppe nun, diese Entwicklung ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und ihr Sichtbarkeit zu verschaffen.

Ein Maisfeld
Ein Maisfeld während der Ernte.

Die Mitarbeiter:innen des Projekts setzen dabei auf ‚Photovoice‘ als Methode des Forschenden Lernens. Dabei werden in einem erste Schritt Fotografien angefertigt, welche in einem zweiten Schritt mittels Interview besprochen und reflektiert werden – ein Beispiel dafür kann hier eingesehen werden. Dafür konnten Landwirt*innen als Kooperationspartner gewonnen werden, die bioökonomische Prinzipien bereits anwenden, wie eine Biogas-Anlage, die mit Pilzen betrieben wird, der Anbau von „Durchwachsener Silphie“ als Hoffnungsträger für zukünftige, grüne Energiegewinnung, die Produktion von eigenem Dünger oder die Bedeutung von Zwischenfrüchten und Haselnusspflanzen für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Eine Gruppe von BA-Studierende wurden mit ‚Photovoice‘ vertraut gemacht und geschult, die Bioökonomie zu hinterfragen. Dies hieß für die Studierenden auch, mit den Landwirt*innen in persönlichen Kontakt zu treten – wozu beide Seiten ihre eigene Wohlfühlzone verlassen und die Konfrontation mit den eigenen (Vor-)Urteilen nicht gescheut haben: So zeigt das Projekt anschaulich, welchen Stellenwert der Anbau von Mais für die lokale Landwirtschaft und die Bioökonomie hat – es gibt aber zugleich auch Raum für Kritik am Maisanbau in der Region.

Haselnussplantage
Haselnussplantage am Baumerthof in Südbaden. Sie ist besonders Wildtieren ein Zufluchtsort.

Von Anfang an war für das erfolgreiche Gelingen Silke Weiß mit ihrer didaktischen Expertise in das Projekt miteingebunden. Sie unterstützte nicht nur bei Gruppenbildungs- oder Reflexionsprozessen und dem Forschen in Kleingruppen, sondern begleitete auch die Betreuungssituation der Studierenden aktiv mit und half auch durch schwierige Phasen, wie beim drohenden Scheitern einzelner Projektteile.

Lilo Toews, BA-Studierende der Kulturanthropologie, hat das Projekt über die ganze Laufzeit hinweg begleitet. Sie lernte den Heidenhof der Familie Schmidt in Teningen nördlich von Freiburg über ein landwirtschaftliches Jahr hinweg kennen. Das Lehrprojekt hat sie nicht nur tief beeindruckt, sondern förderte auch ihre persönliche Entwicklung sehr: „Es ist nicht nur so, dass wir Photovoice als neue Methode zur Dokumentation des Alltagslebens kennenlernen durften – was ich übrigens unbedingt später noch einmal machen möchte – sondern auch, dass wir kräftig und regelmäßig über unsere Schatten springen mussten – sei es, einen fremden Landwirt erstmals anzurufen oder Texte für eine breite Öffentlichkeit einzusprechen.“ Zum Gelingen des Projekts trug maßgeblich bei, dass Sarah May und Lea Breitsprecher stets für ihre Sorgen und Wünsche offene Ohren hatten und auf Augenhöhe mit den Studierenden kommuniziert haben. „Natürlich waren wir auch mal in einer ideellen Zwickmühle, schlussendlich ist z.B. ein Landwirt, der CO2-neutral arbeitet, schön, aber zu wenig, oder eine Biogas-Anlage nett, aber ebenfalls problematisch für den Klimawandel. Sarah und Lea mussten uns da auch mal abholen, damit unsere persönlichen Anschauungen und Urteile unsere Arbeit nicht beeinflussen, sondern diese objektiv bleibt.“

Eine andere Erfahrung machte Samuel Waliser, ebenfalls BA-Studierender der Kulturanthropologie. „Die Zusammenarbeit mit unserem ersten Landwirt gestaltete sich leider etwas schwierig.“ Nach dem Erstkontakt ist der Kontakt leider abgebrochen. Die betroffenen Studierenden wurden dann anderen Gruppen zugeteilt und so landete Samuel Waliser ebenfalls am Bauernhof der Familie Schmidt. „Wir wurden hier gut von Sarah [May] und Lea [Breitsprecher] abgeholt, da wir erst in das schon bestehende Team integriert werden mussten. Immerhin wurde zu diesem Zeitpunkt bereits viel Vorarbeit geleistet.“ Seine Freude über den neuen Bauernhof kann Samuel Waliser aber kaum verstecken: „Es lief nicht nur die Zusammenarbeit super ab, wir fingen irgendwann an, uns sehr mit ‚unserem‘ Landwirten zu identifizieren. Und das lag nicht nur am omnipräsenten Hofhund.“

Lilo Toews und Samuel Waliser berichteten beide, dass ihre Gruppe neben der guten Unterstützung durch die Lehrveranstaltungsleiterinnen auch ein bisschen Glück mit ‚ihrem‘ Bauernhof hatte: Simon Schmidt, der den Heidenhof gemeinsam mit seinen Eltern bewirtschaftet, war im Alter der Studierenden und dem Ganzen gegenüber sehr offen. „Wir bekamen von der Familie sehr umfangreiches und detailliertes Bildmaterial, womit wir wirklich gut arbeiten konnten.“ Im Kern beschreibt Lilo Toews ihre Arbeit so: „Bioökonomie ist eigentlich eine Idee der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Wir haben nun geschaut, wie das in der Realität in der Landwirtschaft umgesetzt wird, ohne Bewertungen vorzunehmen.“

Samuel Waliser sprang noch ein anderer Punkt ins Auge: „Früher betrieb man eine kleine Kreislaufwirtschaft, mit dem allgemeinen Wirtschaftswachstum ging man aber zu einer linearen Landwirtschaft über.“ Viele Landwirte fokussierten sich auf eine Sparte, meist Ackerbau oder Viehzucht, und verkauften Haupt- wie Nebenprodukte an andere Landwirte oder weiterverarbeitende Betriebe. „Und mit der Bioökonomie auf Bauernhöfen gewann ich den Eindruck, dass Kreislaufwirtschaft wieder betrieben wird – natürlich in anderer Form und moderner, aber wenn ich eine Biogasanlage vollkommen autonom mit den eigenen Erzeugnissen betreiben kann, und sei es nur der Kuhdung, dann ist das für mich im Kleinen eine Kreislaufwirtschaft.“

In der Summe profitierten die Studierenden immens vom Lehrprojekt, auch bezüglich ihrer Berufskompetenzen. So lernte Lilo Toews durch das Sprechtraining im Medienzentrum der UB die uniCROSS-Redaktion kennen und wurde spontan für die Redaktion angefragt: „Nach dem Projekt habe ich also jetzt die Möglichkeit, erste Erfahrung in der Medienarbeit zu sammeln“ resümiert Lilo Toews.

Ähnliches berichtet auch Samuel Waliser über seine Erfahrungen im Lehrprojekt. Er war für die Verbreitung des Projekts auf Social Media verantwortlich und war damit konfrontiert, Inhalte zu generieren, die nicht nur seinen Freund*innen gefallen, sondern sich an ein viel breiteres Publikum richten und potentielle Follower auf #bioökonomieinslichtrücken des Kanals @kulturanthropologie_freiburg aufmerksam machen. Noch stärker beeindruckte Samuel Waliser die studentische Vernetzungsarbeit inner- und außerhalb der Hochschule: „Besonders die Durchführung der 35. Studierendentagung der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft in Freiburg hat dem Projekt ein bedeutendes Mehr an Aufmerksamkeit gegeben.“ Hier stand Public Anthropology im Fokus – für Samuel Waliser ein wichtiger Aspekt der Kulturanthropologie: „Kulturanthropologie lebt von Berührungspunkten mit der Gesellschaft – nun, im Lehrprojekt mussten wir die ‚Scheu vorm Feld‘, die Kulturanthropolog*innen gerne nachgesagt wird, schnell verlieren.“

Die Freiraum-Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre schuf für das Projekt „Bioökonomie ins Bild rücken“ wirkliche und neue Freiräume für die Lehre: Man konnte ein Budget ausschöpfen, das so in dieser freien Form für Lehrprojekte nicht zur Verfügung stehen würde. Dies half nicht nur bei der technischen Unterstützung für die Methode ‚Photovoice‘, sondern finanzierte auch die von den Studierenden gestaltete Ausstellung im öffentlichen urbanen Raum oder das professionelle Sprechtraining, von dem die Studierenden besonders profitierten.

Regelmäßig berichten die Studierenden bereits über den Instagram-Kanal des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie über ihr Projekt und haben passend den Hashtag #bioökonomieinslichtrücken etabliert.

Am 25. Mai erfolgt nun die Eröffnung der Ausstellung Bioökonomie ins Bild rücken am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie. Die Ausstellung kann vom 26. bis 29. Mai im Rahmen der 35. Studierendentagung der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaften unter dem Motto Raus aus der Uni!besucht werden. Ab dem 20. Juni zeigen sich die Ergebnisse dieser Arbeit großflächig auf Plakatwänden im urbanen Raum von Stuttgart und Freiburg. Der Projektabschluss wird durch eine weitere Ausstellungseröffnung eingeläutet: Am 26. Juni wird zur Abschlussveranstaltung im Haus der Bauern in Freiburg eingeladen, wo die Ausstellung erneut bis zum voraussichtlich August besichtigt werden kann.

Dr.in Sarah May ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie und wurde 2018 mit dem Universitätslehrpreis ausgezeichnet. Erst kürzlich erhielt sie den Maria-Weber-Grant der Hans-Böckler-Stiftung. In ihrem Habilitationsprojekt untersucht sie den Werkstoff Holz und seine individuelle sowie internationale Entwicklung.

Lea Breitsprecher M.A. ist ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie und Doktorandin. Ihr Dissertationsprojekt widmet sich Pionier*innen der Verpackungsindustrie. Zuvor schloss sie ein Masterstudium der Kulturanthropologie mit einer Arbeit zum Ressourcencharakter von Holz im Geigenbau ab – 2022 wurden Teile dieser Arbeit publiziert.

Silke Weiß M.A. ist Leiterin des Bereich Hochschuldidaktik und digitale Lehrentwicklung und wurde 2022 mit dem Lehrpreis „Hochschulbildung für eine nachhaltige Entwicklung“ des BNE-Zentrum der PH Heidelberg ausgezeichnet.