1924 machten Hans Spemann und Hilde Mangold in Freiburg Beobachtungen, die entscheidend zu unserem heutigen Verständnis der embryonalen Entwicklung beitrugen und mit dem Nobelpreis gewürdigt wurden. 100 Jahre später setzen eine internationale Fachtagung und eine Sonderausstellung im Uniseum die Arbeit der Forschenden in Kontext mit aktuellen Forschungsfragen.
Das Symposium fand in der Prometheushalle statt, in der Spemann selbst Vorträge gehalten hat. Foto: Michal Rössler/CIBSS
Anfang der 1920er Jahre vermutete der Freiburger Professor Hans Spemann, dass es im Embryo ein Kontrollzentrum – einen „Organisator“ – geben müsse, der die frühen Entwicklungsschritte koordiniert. 1924 gelang es der Doktorandin Hilde Mangold in Spemanns Labor, diese Vermutung durch Experimente an Molch-Embryonen zu belegen. Das hundertjährige Jubiläum dieser Entdeckung nahm die internationale Fachtagung Self-Organisation in Biology – Spemann-Mangold Centennial Symposium zum Anlass, aktuelle Forschung an den Prozessen zu diskutieren, durch die sich Zellen im Embryo selbständig in Gewebe und Organe „organisieren“.
Das internationale Symposium, das vom 16. bis 19. September in Freiburg stattfand, spannte den Bogen von der Entdeckung des „Organisators“ durch Spemann und Mangold bis zu den heute aktuellen Forschungsfragen der Entwicklungsbiologie. Wolfgang Driever, Sprecher des Freiburger Exzellenzclusters CIBSS – Center for Integrative Biological Signalling Studies, organisierte die Tagung gemeinsam mit Eddy De Robertis (USA) und Roberto Mayor (GB) sowie der Internationalen Gesellschaft für Entwicklungsbiologie ISDB und ELSEVIER. Zu den über 40 vortragenden Expert*innen gehörten unter anderem Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, Stefano Piccolo und Magdalena Żernicka-Goetz .
Der „Spemann-Mangold-Organisator“ bezeichnet eine Gruppe von Zellen, die während der frühen Stadien der Embryonalentwicklung Signalmoleküle aussendet. Diese biologischen Signale werden wiederum von den umliegenden Zellen im Embryo wahrgenommen. Dadurch übermittelt der „Organisator“ eine wichtige Positionsinformation, die notwendig ist, damit sich die Körperstrukturen an den richtigen Stellen entwickeln. Das Besondere an dieser Entdeckung ist, dass damals zum ersten Mal ein solches Kontrollzentrum beschrieben wurde. Später, insbesondere mit dem Aufkommen moderner molekularbiologischer und genetischer Forschungsmethoden, wurde deutlich, dass die Vermittlung räumlicher Information über lösliche Signalmoleküle ein grundlegender und weit verbreiteter Mechanismus in der Biologie ist.
1935 erhielt Hans Spemann für die Entdeckung des Organisators den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Ob Hilde Mangold den Preis ebenfalls verliehen bekommen hätte, ist heute umstritten: Kurz nach Abschluss ihrer Doktorarbeit verunglückte sie tödlich und konnte den Preis – der nur an noch lebende Wissenschaftler*innen verliehen wird – somit nicht mehr erhalten.
„Die Entdeckung des Organisators hier in Freiburg war ein Meilenstein der Entwicklungsbiologie und grundlegend für unser heutiges Verständnis davon, wie biologische Signale in lebenden Geweben wirken. Heute führen wir die exzellente Forschungsarbeit Spemanns und Mangolds an Signalmechanismen weiter.“
Prof. Dr. Wolfgang Driever
Professor für Entwicklungsbiologie und Sprecher des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies an der Universität Freiburg
Einen eigenen Eindruck von den Arbeiten Spemanns und Mangolds können sich alle Interessierten ab dem 17. Oktober im Uniseum machen: Dort eröffnet die Sonderausstellung „100 Jahre Signalforschung in Freiburg: Die Entdeckung des Spemann-Mangold Organisators 1924”, die die historischen Dokumente der Forschenden zeigt und die Bedeutung ihrer Arbeiten für die heutige Wissenschaft einordnet.
An Hans Spemann und Hilde Mangold erinnern in Freiburg auch der Spemannplatz in der Nähe des Lorettobergs, die Spemann-Graduiertenschule an der Universität Freiburg , die Hilde-Mangold-Straße nahe des Universitätsklinikums sowie das Hilde-Mangold-Haus neben dem Botanischen Garten.