Forschung zu Menschenrechten: “Wir spüren, dass sich etwas ändert”
Freiburg, 11.06.2025
Seit 2019 fördern das Land Baden-Württemberg und der US-Bundesstaat Connecticut das Human Rights Research Consortium (HRRC) – eine transatlantische Initiative zur interdisziplinären Erforschung von Menschenrechten. Am 17. und 18. Juni 2025 kommen zahlreiche Mitglieder zur Jahreskonferenz an der Universität Freiburg zusammen. Sebastian Wogenstein, einer der Ko-Direktoren des Projekts, erklärt im Interview, warum die Forschung zu Menschenrechten aktueller denn je ist – und wie die aktuelle US-Politik den wissenschaftlichen Austausch beeinflusst.

Herr Professor Wogenstein, was ist die Idee hinter dem Human Rights Research Consortium (HRRC)?
Die Ursprünge des Projekts liegen in einem ersten Erkundungstreffen (exploratory meeting) von Vertreter:innen verschiedener Institutionen in Heidelberg im Jahr 2018. Dort entstand die Idee eines offenen, interdisziplinären Netzwerks mit „Grassroots-Charakter“, also offen für Wissenschaftler:innen ebenso wie für Fachleute aus NGOs, Stiftungen und anderen Institutionen, die zu Menschenrechten arbeiten. Konkrete Unterstützung dazu kam vom Office of Global Affairs an der University of Connecticut und dem baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Bei diesem Treffen wurden nicht nur die gemeinsamen Forschungsinteressen deutlich, sondern auch die Basis für eine erste finanzielle Förderung gelegt. Ziel war es, den bereits etablierten Studierendenaustausch um eine nachhaltige, wissenschaftsgetriebene Kooperation zu erweitern. Aus zunächst rund 40 Beteiligten ist heute ein wachsendes Netzwerk mit fast 140 Mitgliedern geworden.
Wie läuft die Zusammenarbeit konkret ab?
Neue Mitglieder schließen sich einer von fünf interdisziplinären Arbeitsgruppen an, die Themen von politischen und philosophischen Grundlagen über Technik bis hin zu Bildungsfragen bearbeiten. Die Zusammenarbeit erfolgt hybrid – in virtuellen Formaten wie auch bei regelmäßigen Treffen vor Ort. Innerhalb des Netzwerks entstehen fortlaufend neue Kooperationen, aus denen Publikationen, Konferenzen, politische Handlungsempfehlungen und Bildungsprojekte hervorgehen. Es ist ein lebendiger Austausch, der auch den Transfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördert.
Was steht bei der HRRC-Konferenz am 17. und 18. Juni 2025 in Freiburg im Mittelpunkt?
Die Jahreskonferenz bringt zum vierten Mal Mitglieder aller Arbeitsgruppen aus beiden Partnerregionen zusammen. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf dem Thema Nachhaltigkeit und Menschenrechte, das die zweite Förderphase des Konsortiums seit 2023 geprägt hat. Dabei geht es nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um soziale: Welche Strukturen sichern langfristig eine demokratische, gerechte und inklusive Gesellschaft? Wie können menschenrechtliche Perspektiven auf aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel, soziale Ungleichheit und politische Polarisierung antworten? Diese Fragen sind aktueller denn je, weil Grundwerte wie Diversität, Inklusion und Gleichstellung zunehmend unter Druck geraten.
Ausgewählte Projekte des Human Rights Research Consortiums (HRRC)
Einen Überblick über weitere Projekte und Initiativen des HRRC erhalten Sie hier.
Wirkt sich die zweite Präsidentschaft von Donald Trump auf die Arbeit des HRRC aus?
Schon während Trumps erster Amtszeit wurden zentrale Prinzipien der Menschenrechtsarbeit in den USA öffentlich infrage gestellt. Begriffe wie Gleichstellung oder Inklusion galten plötzlich als „ideologisch“ – oder gar als „unamerikanisch“. In dieser Phase wurde das HRRC gegründet. Nun erleben wir erneut eine Zuspitzung. Das betrifft auch den Forschungsalltag: Einige US-Mitglieder können nicht in Präsenz an der Konferenz in Freiburg teilnehmen, weil sie befürchten, anschließend nicht in die USA zurückreisen zu dürfen. Die politischen Spannungen schlagen also direkt auf die transatlantische Zusammenarbeit durch.
Wie reagiert das HRRC auf diese Entwicklungen?
Wir sehen unsere Arbeit als klaren Gegenentwurf zu diesen Tendenzen. Der Fokus auf Nachhaltigkeit in den Menschenrechten bedeutet auch: Einsatz für Demokratie, Beteiligung und Pluralität. Gerade in Zeiten politischer Polarisierung müssen diese Werte verteidigt werden. Das HRRC versteht sich als Plattform für genau diesen Dialog – und lässt sich von Bedrohungen oder Rückschlägen nicht entmutigen. Im Gegenteil: Der gesellschaftliche und wissenschaftliche Einsatz für Menschenrechte wird dadurch nur noch dringlicher.
Das Projekt läuft noch bis Juni 2026. Wie geht es danach weiter?
Wir arbeiten intensiv daran, das Projekt über 2026 hinaus fortzusetzen – möglicherweise auch in der Form von Teilprojekten. Angesichts wachsender autoritärer Tendenzen und einer Zunahme des Extremismus weltweit ist es entscheidend, starke Netzwerke aufzubauen. Durch das HRRC sind in den letzten sechs Jahre viele Kooperationen und Verbindungen entstanden, die es ohne das Projekt nicht gegeben hätte. In Zukunft wollen wir vor allem den Bildungsbereich weiter stärken. Geplant ist etwa eine digitale Plattform, die Lehrmaterialien für Schulen und Hochschulen bündelt. Denn Menschenrechte beginnen mit Bildung – und Bildung ist der nachhaltigste Schutz gegen anti-demokratische Tendenzen.
Zur Konferenz
Die vierte Jahrestagung des Konsortiums steht unter dem Thema Human Rights in the Balance: Safeguarding Social and Environmental Sustainability und bringt Mitglieder aller Arbeitsgruppen aus beiden Partnerregionen zusammen. Während die inhaltlichen Panels ausschließlich HRRC-Mitgliedern offenstehen, richten sich zwei öffentliche Keynotes an die interessierte Öffentlichkeit:

Was ist HRRC?
Das Human Rights Research Consortium (HRRC) ist ein transatlantisches Netzwerk von Menschenrechtsforscher:innen aus Connecticut und Baden-Württemberg. Es verbindet renommierte Institutionen, darunter:
- Human Rights Institute University of Connecticut
- Schell Center for International Human Rights (Yale University)
- Universität Freiburg
- College of Fellows (Universität Tübingen)
- Weltethos-Institut Tübingen
- Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
- Mark Twain Center für transatlantische Beziehungen (Heidelberg)
Seit 2018 übernimmt das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) die Koordination auf deutscher Seite. Finanziert wird das Projekt durch das Land Baden-Württemberg und den State of Connecticut. Geleitet wird das HRRC von einer interdisziplinär zusammengesetzten Gruppe von Professor:innen:
- Prof. Dr. Ralf von den Hoff (Archäologie, Universität Freiburg/FRIAS)
- Prof. Dr. Silja Vöneky (Jura, Universität Freiburg)
- Prof. Dr. Shareen Hertel (Political Science/Human Rights Institute, University of Connecticut)
- Prof. Dr. Sebastian Wogenstein (German Studies/ Human Rights Institute, University of Connecticut)
Interview von Max Bolze, veröffentlicht am 11.06.2025.