Erfahrungsbericht Team 2024/25
Vom 19. bis zum 22. Februar 2025 nahmen an den German National Rounds in Leipzig für das Freiburger Jessup Team Hannah Schattner, Richard Schelo, Pascaline Vormann und Johanna Walterspiel teil. Unter 18 teilnehmenden Universitäten erreichte Freiburg den vierten Platz. Richard Schelo erhielt einen Award als Best Male Speaker.

Bewerbung
Am Beginn unserer aufregenden Reise stand der Bewerbungsprozess für einen Platz im Jessup Moot Court Team. Dieser begann mit der Einreichung eines tabellarischen Lebenslaufs, einer dazugehörigen Leistungsübersicht sowie eines überzeugenden Motivationsschreibens. Diese Unterlagen waren fester Bestandteil jeder Bewerbung und sollten die erste Hürde auf dem Weg zur Teilnahme darstellen. Nachdem sie fristgerecht per E-Mail versendet worden waren, begann das große Bangen: Hatte das Motivationsschreiben überzeugt? Hatte sich vielleicht ein kleiner Fehler in den Lebenslauf eingeschlichen? Und am Ende die alles entscheidende Frage: Würden letztlich nur die Noten ausschlaggebend sein?
Diese Unsicherheiten fanden mit der Einladung zum Bewerbungsgespräch vorerst ein Ende. Doch damit begann die eigentliche Herausforderung erst richtig: Nicht nur galt es, sich in einem persönlichen Gespräch den Alumni und Alumnae des Teams von seiner besten Seite zu präsentieren, sondern auch einen englischsprachigen Vortrag über ein Urteil des US Supreme Court zu halten. Schnell wurde uns bewusst, dass die Vorbereitung darauf weit über das hinausgehen würde, was üblicherweise für ein Bewerbungsgespräch nötig ist.
Nach intensiven Vorbereitungen war schließlich der entscheidende Moment gekommen: Man wurde in einen Besprechungsraum gebeten, wo fünf Alumni und Alumnae bereits warteten. Während des Vortrags war es besonders wichtig, einen ruhigen und besonnenen Umgang mit den kritischen Fragen zu bewahren, die seitens der Jury gestellt wurden. Das persönliche Gespräch verlangte hingegen Authentizität und eine ehrliche Selbstreflexion, um ein klares Bild der eigenen Motivation und Eignung zu vermitteln. Die Zeit verging wie im Flug, und ehe man sich versah, war alles auch schon wieder vorbei. Mit einem Gefühl zwischen Erleichterung und Unsicherheit trat man den Heimweg an, grübelnd darüber, ob die eigenen Antworten wirklich überzeugt hatten. Doch das Warten dauerte nicht lange: Bereits am selben Tag klingelte das Telefon – die Entscheidung stand fest. Mit großer Freude erfuhren wir, dass wir es tatsächlich ins Jessup Moot Court Team 2025 geschafft hatten.
Nun stellte sich die nächste spannende Frage: Mit wem würde man in den kommenden Monaten eng zusammenarbeiten? Zunächst lieferten die Vornamen in der Annahmemail einen ersten Hinweis, doch angesichts der Größe Freiburgs und der Vielzahl an „(Jo)Hannahs“ blieb es zunächst ein Rätsel, wer tatsächlich zu unserem Team gehörte. Die endgültige Antwort erhielten wir erst beim gemeinsamen Fototermin. Dort trafen wir das erste Mal als Team zusammen, und schnell wurde klar: Die Chemie stimmte. Das anschließende Get-together bestätigte diesen positiven ersten Eindruck – es herrschte eine angenehme Atmosphäre, geprägt von Neugierde und Vorfreude. Trotz der bevorstehenden arbeitsintensiven Monate wuchs mit diesem ersten Treffen die Begeisterung für das gemeinsame Projekt, und wir blickten voller Tatendrang auf die spannende Zeit, die vor uns lag.
Schriftsatzphase
Nach einem August voller spannender Crashkurse im Völkerrecht, bekamen wir dann im September endlich den Sachverhalt über den Naegea Sea-Fall und damit begann eine extrem intensive Zeit. Wir arbeiteten fast täglich bis Weihnachten an unseren Schriftsätzen, montags gab es Korrekturen, die eingearbeitet werden mussten. Sechs Tage die Woche saßen wir zusammen, diskutierten Argumente und konsumierten Unmengen an Tee und Energy balls.
Die Belastung war enorm. Ständig mussten wir uns in neue juristische Problemstellungen einarbeiten, unter hohem Zeitdruck präzise Formulierungen finden und unsere Argumentation immer wieder überdenken. Doch genau dadurch haben wir unglaublich viel gelernt – nicht nur fachlich, sondern auch über uns selbst und darüber, was es heißt, als Team zusammenzuarbeiten.
Die letzten Tage vor der Abgabe im Januar waren noch einmal eine extreme Herausforderung. Vier Tage lang haben wir uns ausschließlich mit den Formalia beschäftigt, um jeden Zitierfehler und jede Formatabweichung auszubügeln. In der letzten Nacht saßen wir bis fünf Uhr morgens über den Dokumenten und prüften sie ein letztes Mal – und dann war es endlich geschafft. Mit einem Bierchen feierten wir die Abgabe, völlig erschöpft, aber auch unendlich erleichtert.
Mündliche Phase
Hatten wir uns in dieser ersten Phase tiefgehend mit den völkerrechtlichen Problemen auseinandergesetzt und uns in die Quellenlage eingearbeitet, ging es in der mündlichen Phase nun darum, die ausgearbeiteten Argumente nun möglichst souverän, überzeugend und prägnant in dem mündlichen Plädoyer vor der „Bench“ vorzutragen, ohne sich von deren Zwischenfragen aus dem Konzept bringen zu lassen. Obwohl die ausführliche Beschäftigung mit den völkerrechtlichen Problemfeldern in der Schriftsatzphase unbedingte Voraussetzung ist, um die nötige Wissensbasis zu schaffen und Argumente zu formulieren, ist im Jessup Wettbewerb immer noch vor allem der mündliche Vortrag entscheidend.
Die besonders früh angesetzten German National Rounds sollten nicht auf Kosten einer intensiven Vorbereitung auf die Pleadings gehen, sodass gerade einmal zwei Tage Pause zwischen dem All-Nighter am Ende der Schriftsatzphase und unserem ersten Pleading lagen.
Nach klassischen Jessup-Regeln hat dabei jede Seite 45 Minuten, in denen zunächst beide Councels jeweils einer Seite in 21 bzw. 22 Minuten ihre Position darlegen und verteidigen, bevor in Rebuttal und Surrebuttal zum Schluss noch einmal die stärksten Punkte aufgegriffen und die Schwächen der Gegenseite betont werden. Die Zeitbegrenzungen dürfen dabei nicht überschritten und die wichtigsten Punkte nicht aus den Augen verloren werden, was angesichts der Menge an Fragen, denen sich die Councels ausgesetzt sehen, nicht immer leicht fällt.
Wie viele Aspekte in ein gutes Pleading einspielen und wie schwierig es ist, auf alle zu achten, wurde uns in den nächsten Tagen schnell bewusst. Ungefähr drei Mal die Woche waren Pleadings angesetzt, in denen wir mit Fragen durchlöchert, aus dem Konzept gebracht und in unserer Argumentation hinterfragt werden sollten. Die Tage dazwischen waren nicht etwa frei, sondern dringend nötig, um die Pleadings, Fragen und Vortragsweise vor- und nachzubereiten. Das schloss nicht nur weitere Recherchen und das ständige Umschreiben des Vortrags ein, sondern auch Rhetoriktraining unserer Coaches, in denen wir uns auf Auftritt, Haltung, Gestik, Mimik, Tonlage und question handling konzentrierten.
Besonders wertvoll war die Unterstützung der Jessup-Alumni und Alumnae, die als Probe-RichterInnen fungierten. Sich immer wieder ihren herausfordernden Fragen und dem individuellen Feedback zu stellen. Es waren genau diese Diskussionen, die uns halfen, unsere Argumente immer weiter auszubauen und zu optimieren und die beste Vorbereitung, auf die tatsächlichen Judges. Als neue Mitglieder der Freiburger Jessup-Community wurden wir in die über Generationen weitergegebenen Geheimtipps und Kniffe eingeweiht. Dank dieses umfassenden Programms stellten sich schnell merkliche Fortschritte ein, die uns nur noch stärker motivierten, jedes Mal möglichst noch souveräner und überzeugender zu pleaden.
Ein Highlight der mündlichen Phase waren die Probe-Pleadings in renommierten Großkanzleien in Frankfurt, Stuttgart und Freiburg. Vor renommierten und erfahrenen AnwältInnen von Kanzleien wie Noerr, CMS, BHK und Advant Beiten zu pleaden, war nicht nur aufregend und herausfordern. Es bot auch wertvolle Einblicke in die Praxis und Perspektiven derer, die häufiger und tatsächlich vor realen Gerichten ihre Standpunkte verteidigen und daher mit unserer Position bestens vertraut sind. Sich nach den Plädoyers über Wein und Finger Food darüber auszutauschen und den Abend in spannenden Gesprächen ausklingen zu lassen, war immer eine willkommene Aussicht vor den nervenaufreibenden Pleadings.
German National Rounds
Nur zwei Tage nach der Generalprobe ging es für uns gemeinsam los nach Leipzig. Während der Fahrt herrschte eine Mischung aus Aufregung und Erleichterung: Aufregung, weil wir endlich den Nationals so nahe waren, auf die wir so lange hingearbeitet hatten, und Erleichterung, weil die intensive Vorbereitung nun fast hinter uns lag. Gleichzeitig feilten wir noch an den letzten Feinheiten unserer Pleadings.
In Leipzig angekommen, kümmerten wir vier uns zuerst um unsere verknitterten Anzüge, während unsere Coaches die organisatorischen Details klärten und in Erfahrung brachten, gegen welche Teams wir in den kommenden zwei Tagen antreten würden. Nach einer Begrüßung in der imposanten Leipziger Universität, wo wir erstmals auf die anderen Teams trafen, ging es zurück ins Hotel, um die Pleadings der gegnerischen Teams zu lesen. Im Schlafanzug machten wir uns an die Memorials von Jena, Augsburg, Kiel und Münster und suchten nach Argumenten und Gegenargumenten. Da unser erstes Pleading bereits am nächsten Morgen um 8 Uhr stattfand, ging es früh ins Bett. Während wir uns bereits zur Ruhe legten, opferten unsere Coaches ihren Schlaf, um uns bestmöglich auf neue Argumente vorzubereiten.
Vorrunden
Das erste Pleading war selbst für diejenigen, die nicht pleeden mussten, unglaublich aufregend, da es das erste Mal gegen ein fremdes Team ging. Doch nach den ersten Runden gewöhnten wir uns langsam an die Situation und daran, vor unterschiedlichen Benches aus Richter:innen zu argumentieren. Zur Abwechslung organisierten unsere Coaches ein Get-Together mit dem Göttinger Team in einem indischen Restaurant, wo wir erstmals mit anderen Mooties unsere Jessup-Erfahrungen teilen konnten. Auch eine Riesenradfahrt nach dem letzten Vorrunden-Pleading sorgte für eine schöne Ablenkung.

Doch dann wurde es ernst: Beim Announcement Dinner sollten die Viertelfinalisten bekannt gegeben werden. Nach einer spannenden Podiumsdiskussion zur Relevanz des Völkerrechts, insbesondere in Zeiten von Trump und Putin, war es endlich so weit. Als unsere Teamnummer 509 aufgerufen wurde, konnten wir es kaum glauben! Doch viel Zeit zum Feiern blieb nicht – sofort ging es zurück ins Hotelzimmer, um die Memorials durchzuarbeiten.
Viertelfinale
Im Viertelfinale traten unsere Applicants, Hannah und Johanna, am Samstagmorgen gegen die Respondents aus Bochum an. Viel Vorbereitungszeit blieb nicht, weshalb uns die Coaches rieten, Ruhe zu bewahren, Schlaf zu tanken und Zuversicht zu behalten – auch wenn dafür einige aufmunternde Pep-Talks nötig waren. Das Pleading war ein ganz neues Gefühl: Das starke Team aus Bochum forderte uns enorm, doch wir spürten, dass es unglaublich viel Spaß machen konnte. Besonders als Hannah ihr ABC-Rebuttal vortrug, waren wir alle euphorisiert. Egal, wie es weiterging – wir hatten aus dem Viertelfinale das Beste gemacht!
Halbfinale
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich das Ergebnis: Wir zogen ins Halbfinale ein. Ab diesem Moment war alles wie ein Traum. Washington war zum Greifen nah. Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit, denn es ging direkt weiter ins Reichsgerichtsgebäude zum Halbfinale gegen die Uni Heidelberg. Voller Stolz und mit einer ordentlichen Portion Aufregung traten unsere Respondents, Pascaline und Richard, in den imposanten Sälen des Bundesverwaltungsgerichts an. Während des gesamten Pleadings saßen wir Applicants und unsere Coaches stolz unter den Zuschauern und waren beeindruckt, wie geschickt und charmant unsere Respondents mit den harten Fragen der Bench umgingen. Das Niveau war spürbar höher als zuvor, und das Warten nach dem Pleading war umso quälender. Eine Stunde später stand das Ergebnis fest: Heidelberg zog ins Finale ein.

Doch für uns war der Wettbewerb noch nicht vorbei. Es ging gegen die Bucerius Law School um den dritten Platz – und das begehrte Ticket nach Washington. Nach dem intensiven und nervenaufreibenden Halbfinale fiel es uns schwer, uns noch einmal aufzuraffen und neue Energie zu sammeln. Die Auslosung entschied, dass unsere Applicants erneut antreten sollten. Noch einmal vor einem großen Publikum zu plädieren, war überwältigend. Dank der Unterstützung unserer Coaches und Teammates fanden wir jedoch wieder ins richtige Mindset – und plötzlich standen wir schon wieder vorne.

Man merkte, dass die Judges uns auf die Probe stellen wollten: Beide Teams wurden mit besonders schweren Fragen konfrontiert, die uns an unsere Grenzen brachten. Auch wenn es sich unglaublich herausfordernd anfühlte, war es ein tolles Gefühl, noch ein letztes Mal vor einer so hochkarätig besetzten Bench gegen starke Teams wie Heidelberg und Bucerius plädieren zu können.
Später erfuhren wir, dass die letzten beiden Pleadings mit einer Split-Bench entschieden wurden – drei Judges stimmten für das gegnerische Team, zwei für uns.
Championship-Dinner
Nach diesem, gefühlt längsten Tag unseres Lebens, erwartete uns das wohlverdiente Championship-Dinner. Anschließend folgte die Preisverleihung – ein Moment voller Spannung und Stolz. Wir können kaum in Worte fassen, wie überwältigt wir waren, als Richard den Preis für den Best Male Speaker erhielt. Dieser Moment krönte unsere Reise und machte uns als Team unendlich stolz. Danach konnten wir zum ersten Mal wirklich entspannen – gemeinsam mit den anderen Teams feierten und tanzten.
Auch wenn es am Ende nicht für die International Rounds in Washington gereicht hat, hat es mehr als gereicht, um uns alle unglaublich stolz zu machen. Leipzig hat uns gezeigt, wie sehr wir uns als Team aufeinander verlassen und unterstützen konnten – wirklich ausnahmslos alle! Diese Erfahrung gemeinsam zu machen, war der perfekte Abschluss unserer langen Jessup-Reise und hat uns mit dem Gefühl zurückgelassen: Dieses halbe Jahr war es absolut wert!
Dankessagung
Wir danken den Kanzleien Bender Harrer Krevet, Noerr, Advant Beiten und CMS für die tolle Unterstützung und Organisation der Probepleadings.
Ein großes Dankeschön geht an alle Alumni, die uns bei den Probepleadings so gut vorbereitet haben.
Ein riesiges Dankeschön geht an unsere Coaches Jenny, Eila und Jakob. Vielen Dank für eure Zeit, endlose Geduld und Empathie. Wir hätten uns kein besseren Unterstützer wünschen können!