Die Klausurtagung „Umgang mit Befragungsergebnissen – von der Meinung zur Veränderung“ zu den Zentralen Befragungen musste leider verschoben werden. Darin waren fünf Workshops geplant, deren Inhalte in dieser Artikelserie vorgestellt werden.
Seit Beginn der Zentralen Befragungen bewerten Studierende Themen rund um Berufs- und Praxisbezug als kritisch. Der Berufs- und Praxisbezug ist den Studierenden sehr wichtig. Warum ist das so, was verstehen Studierende darunter und was bedeutet Berufs- und Praxisbezug eigentlich? Nach einem kleinen Schlaglicht auf die hochschulpolitische Debatte zum Thema, werden Ergebnisse der Befragung der Studierenden mit Ergebnissen der Befragung der Exmatrikulierten und Absolvent*innen kontrastiert.
Nicht erst seit der Bologna-Reform gibt es eine hochschulpolitische Debatte darüber, ob es nun die Aufgabe der Universitäten ist, Studierende für eine berufliche Tätigkeit auszubilden. Unter dem Schlagwort „employability“ also Beschäftigungsbefähigung wurde diese Debatte in die Bologna Erklärungen aufgenommen und als eines der drei Hauptziele der Reform festgelegt (vgl. Schubarth 2017:78). Seither sollen sich Universitäten „[…] weg von einer überschaubaren Institution zur Reproduktion einer wissenschaftlichen Elite hin zu einer beruflichen Ausbildungsinstitution.“ (ebd.) entwickeln. Somit begleitet die Forderung nach mehr Berufs- und Praxisbezug auch eine Fokussierung auf Kompetenzen: Was sollen Studierende konkret nach ihrem Studium können, um erwerbsfähig zu sein, wenn sich die beruflichen Situationen stets ändern können? Dabei gibt es auch grundlegende Unterschiede zwischen den Studiengängen: Bei manchen Studiengängen zeichnen sich klarere Berufsziele ab als bei anderen. Die klassischen Beispiele: Medizin, Lehramt oder Jura mit sehr klar bestimmten Berufsfeldern im Vergleich zu den Geistes- und Sozialwissenschaften, die eher für ein offenes Berufsspektrum ausbilden. Für solche Studiengänge ist es demnach auch schwieriger, genaue Kompetenzen zu formulieren.
Nicht nur den Bologna-Reformer*innen, sondern auch den Studierenden ist der Bezug zur Praxis und zu den verschiedenen Berufsfeldern wichtig. Dies zeigen zum Beispiel die Ergebnisse der Befragung der Studierenden 2019: 90 % der Befragten finden es wichtig, dass in Lehrveranstaltungen regelmäßig Beispiele aus der Praxis eingebracht werden. Auch die Möglichkeit, im Studium selbst praktische Erfahrung zu sammeln, und das Angebot spezieller Lehrveranstaltungen, in denen Praxiswissen vermittelt wird (zum Beispiel Anforderungen in Berufsfeldern), werden von etwa 85 % der Befragten mit (sehr) wichtig bewertet.
Allerdings wird die Umsetzung dieser Punkte in derselben Befragung eher mittelmäßig gut bewertet. So gaben 38 % der Befragten an, dass sich ihr Studiengang (überhaupt) nicht durch eine gute Berufsvorbereitung charakterisiere. Drei Jahre zuvor, bei der Befragung 2016, fanden dies sogar 43 % der Befragten.
Auch die Befragung der Exmatrikulierten unterstützt den Befund der Wichtigkeit des Praxis- und Berufsbezugs unter Studierenden und eines Umsetzungsproblems. Bei 46% der Exmatrikulierten spielte der fehlende Berufs- und Praxisbezug eine ausschlaggebende Rolle ihr Studium abzubrechen.
Um eine weitere Perspektive auf das Thema Berufs- und Praxisbezug einnehmen zu können, eignet sich außerdem die Betrachtung der Ergebnisse aus der Befragung der Absolvent*innen. Die ehemaligen Studierenden werden ca. eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss zu ihrem Studium an der Uni Freiburg befragt und befinden sich häufig schon im Beruf. Absolvent*innen nehmen hier die Rolle von Expert*innen ein, welche die ungewisse Zeit zwischen Studium und Beruf bereits hinter sich haben. Zwar teilen sie die Kritik an praxis- und berufsbezogenen Elementen im Studium mit den aktuell Studierenden: Zum Thema Kompetenzen zeigen die Absolvent*innen auf die Diskrepanz zwischen den beruflichen Anforderungen und den Fähigkeiten, die tatsächlich bei Abschluss des Studiums vorhanden waren. Die ehemaligen Studierenden geben an, dass beispielsweise Problemlösungsfähigkeit, fachübergreifendes Denken und Kommunikationsfähigkeit in hohem Maße beim Abschluss des Studiums vorhanden waren, jedoch im Beruf noch stärker gefordert wurden. Lediglich die Kenntnisse wissenschaftlicher Methoden wurden in geringerem Maße im Beruf gefordert als sie bei den Absolvent*innen direkt nach dem Studium vorhanden waren.
Jedoch zeigen viele Ergebnisse auch eine sehr erfreuliche Lage: Die größte Gruppe der Absolvent*innen 2018 musste nicht einmal einen Monat nach einer Anstellung suchen (33 % n=174). Nur etwa 21% waren hingegen länger als 4 Monate auf der Suche nach einer ersten Anstellung. 41% geben beim Thema Passung zwischen Studium und Beruf an, dass ihr Studiengang der einzig passende für ihre derzeitige Tätigkeit ist. Sie sind zu 74% (sehr) zufrieden mit ihrem Studium an der Universität Freiburg und geben an, dass sie sehr wahrscheinlich wieder denselben Studiengang an unserer Universität studieren würden. Zu 70% sind die Absolvent*innen (sehr) zufrieden mit ihrem derzeitigen Beruf:
Berufs- und Praxisbezug sind aktuelle Themen in Hochschulen – so auch bei der Universität Freiburg. Die Klausurtagung 2020 (Termin auf unbestimmte Zeit verschoben) hat deshalb unter anderem das Ziel, die Themen Berufs- und Praxisbezug neben weiteren Themen mit verschiedenen Akteur*innen der Universität näher zu beleuchten. Zu beachten ist, dass hier gesamtuniversitäre Zahlen veranschaulicht wurden, wobei sich fachspezifisch deutliche Unterschiede erkennen lassen. Es stehen Berichte auf Fächerebene zur Verfügung, sodass es zu einem produktiven Austausch und einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Befragungsergebnissen kommen kann.
Weitere Informationen dazu sowie zu den Befragungsergebnissen sind auf der Homepage der Abteilung Qualitätsmanagement Studium & Lehre zu finden.
Literatur:
Schubarth, Wilfried; Mauermeister, Sylvi; Seidel, Andreas (Hrsg.): Studium nach Bologna. Befunde und Positionen. Potsdam 2017.