Kathrin Drozella, Claudia Gayer, José Eduardo Macedo de Medeiros, Barbara Müller, Dorthe Hutz-Nierhoff, Leon Widmaier
Nach zwei Jahren Coronapause fand die LEARNTEC, die größte Fachmesse in Europa zu digitaler Bildung für Schule, Hochschule und Beruf, wieder vor Ort in Karlsruhe statt. Die Abteilung E-Learning war mit einigen Vertreter*innen einen Tag dort und hat sich umgesehen, was es Neues und gegebenenfalls Interessantes für den Hochschulbereich gibt. Zudem haben wir an der parallel stattfindenden Tagung „Digitale Hochschule teilgenommen.
In drei großen Ausstellungshallen war ein breites Spektrum an Produkt- und Firmenpräsentationen zu finden. Große Firmen, mittelständische Unternehmen und Start-ups waren vertreten und stellten ihre Soft- und Hardware vor: von Lernplattformen, Videokonferenzsystemen, diversen Gadgets und Applikationen über mobile Hardwaresets bis hin zu Augmented und Virtual Reality Tools. Viele Anwendungen konnten vor Ort ausprobiert werden und die Ausstellenden waren gerne zu Gesprächen und Demos bereit.
Als Fan von raffiniert gemachter Hardware war eine unserer Kolleginnen besonders von einem futuristisch anmutenden durchsichtigen Bildschirm fasziniert, der sich bei genaueren Hinschauen als „Lightboard“ entpuppte: eine beschreibbaren Scheibe, in deren Rahmen umlaufend zweierlei LED-Lichtquellen untergebracht sind: Weißlicht zur Ausleuchtung der Lehrperson auf der einen Seite und UV-Licht in die Kanten der Scheibe hineingeleitet. Dieses bringt das mit Neonstiften darauf Geschriebene zum Fluoreszieren. Der Lehrperson gegenüber, also auf der anderen Seite der Glasscheibe, befindet sich eine Kamera, die das Gesamtbild aufzeichnet. Für das Publikum lesbar wird das Geschriebene nun per zugehöriger Software, die das Kamerabild spiegelt und somit ermöglicht, sowohl Gestik und Mimik der Lehrperson als auch dem „Tafelbild“ zu folgen. Die Software ermöglicht zusätzlich auch noch ein Live-Reinschneiden von zusätzlichen Bildern/Videos.[1]
Beeindruckend war der Augmented und Virtual Reality- Bereich (AR/VR). Hier hat sich in den letzten Jahren technisch viel getan. Ein Autodesigner demonstrierte beispielsweise, wie mit VR-Brillen Produkte visualisiert werden können – Schicht für Schicht und vom Blueprint bis zur fertigen Karosserie. Die Textur der Materialien erschien dabei so deutlich aufgelöst und detailreich, dass man versucht war, das Auto „anzufassen“. Unterhaltsam war auch die Möglichkeit, Orte wie Venedig oder die Tempel von Abu Simbel in Ägypten mittels VR zu besuchen. Für den Hochschulbereich [2] sind hier Einsatzszenarien z. B. in der Archäologie denkbar: die Wiedergabe archäologischer Stätten und Objekte, was die Bemühungen in photogrammetrischen Methoden unterstützt.
Natürlich sind wir auch am Stand des ILIAS-Vereins vorbeigeschlendert. Es hat uns etwas stolz gemacht, dass die Universität Freiburg institutionelles Mitglied des Vereins ILIAS open source e-Learning e.V.[3] ist. Warum? Weil der ILIAS-Stand das einzige OpenSource Projekt auf weiter Flur war, das wir zwischen den ganzen kommerziellen Softwarelösungen erspähen konnten. Doch gerade im öffentlichen Bildungskontext spielen OpenSource Lösungen in der IT-Infrastruktur eine große Rolle, da sie ein Hosting auf den eigenen Servern ermöglichen bzw. voraussetzen. Datenschutzrelevante Fragen werden nicht von einem bestimmten Anbieter vorgegeben, sondern können selbst konfiguriert werden: Stichwort Digitale Souveränität. Darüber, warum OpenSource-Projekte nicht stärker auf der Learntec vertreten sind, kann man nur mutmaßen. Im Vergleich zu kommerziellen Softwareanbietern hat das Thema „Marketing“ in OpenSource-Projekten meist eine geringe bis gar keine Relevanz und oftmals sind es auch weitaus kleinere Communities als der ILIAS Verein.
Insgesamt liegt der Schwerpunkt der LEARNTEC traditionell auf den Bereichen Unternehmen/berufliche Bildung sowie Schulen – die Messestände für den Businessbereich füllten zwei, die schulischen eine eigene Halle. Spezifisch für den Hochschulbereich waren nur wenige Angebote zu finden und nur ein Bruchteil davon kann auf eigenen Servern gehostet und/oder an unsere bestehende Lernplattform angedockt werden und wäre damit datenschutztechnisch bedenkenlos nutzbar. Zudem waren viele Angebote schlicht sehr teuer.
Einige Anwendungen waren zwar technisch gesehen interessant, unter datenschutzrechtlichen Aspekten aber eher zweifelhaft: Im Bereich Leseförderung wurde beispielsweise damit gearbeitet, Kinder zu filmen und diesen mittels KI gezielte Feedbacks zu geben. Die Daten landeten direkt auf Servern einer großen US-amerikanischen Softwarefirma.
Die Vielzahl der technischen Möglichkeiten, die auf der LEARNTEC vorgestellt werden, ist sehr beeindruckend. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass gute digital unterstützte Lehre nicht allein mit der Verfügbarkeit einer bestimmten Soft- oder Hardware entsteht. Gute Lehre kommt nicht ohne didaktische und konzeptionellen Überlegungen aus. Der didaktische Mehrwert war bei manchen Anwendungen nur schwer zu erkennen. Eine Rückmeldung aus der Lehre an Softwareentwicklung/Medientechnik ist hier sicher sinnvoll, um für die Lehre passende Lösungen entwickeln zu können.
Einige Anbieter waren vertreten, deren Tools wir teils bereits seit Jahren nutzen, wie Panopto, TechSmiths Camtasia und natürlich die Lernplattform ILIAS. Und so manches auf der LEARNTEC kam uns selbstverständlich vor – was vermutlich daran liegt, dass die Kompetenzen der Universität Freiburg im Bereich E-Learning doch recht weit entwickelt sind.
Parallel zur Messe fand wieder die Tagung „Digitale Hochschule“ statt – eines der wenigen hochschulspezifischen Events. Mit insgesamt vier Vorträgen war der Mittag gut gefüllt und es blieb trotzdem Zeit für Austausch und Vernetzung in den Pausen. Die Freude darüber, nach der langen Coronazeit wieder auf einer großen Veranstaltung zu sein, vielen alten Bekannten zu begegnen und neue Kontakte zu knüpfen, war den meisten anzumerken. Und so wurden rege die Erfahrungen der letzten zwei Jahre und die Entwicklung digitaler Lehr- und Lernsysteme ausgetauscht und diskutiert.
Interessant war für uns unter anderem der Vortrag von Prof. Evelyn Korn von der Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“, die ausführlich darstellte, wie sich die Projektförderung gestaltet und wie sehr sich die Bedarfe über die verschiedenen Hochschularten hinweg doch ähneln. In Freiburg fördert die Stiftung derzeit das Digitalisierungsprojekt 4D.
Anna-Lena Claeys-Kulik stellte als Policy Coordinator der European University Association „Die Zukunft der Europäischen Hochschulen“ dar – insbesondere im Kontext von EPICUR und Eucor relevante Leitlinien. Auch der Vortrag unsres Prorektors für Lehre, Prof. Michael Schwarze, kam beim Publikum gut an. Er stellte die Strategie und Praxis der Digitalen Lehre an der Uni Freiburg anhand von konkreten Beispielen dar und führte aus, wie die Pandemie die Entwicklung beschleunigte. Er ging dabei auch auf die notwendige Berücksichtigung negativer Begleiterscheinungen, wie z. B. zunehmende psychische Probleme bei Studierenden, ein
Insgesamt war es ein schöner und interessanter Ausflug nach Karlsruhe, der uns nicht zuletzt als “Teamevent” gutgetan hat. Zwar nahmen wir wenig konkrete Impulse im Bereich der Technik für den Hochschulbereich mit zurück, die Möglichkeiten von AR/VR brachten uns aber doch zum Staunen. Auch die Gewissheit, dass wir an der Universität Freiburg auf einem guten Weg sind und keine nennenswerten Entwicklungen verschlafen haben, ist beruhigend. Mit unseren Angeboten und vor allem der didaktischen Fundierung unserer Beratung stehen wir, auch im Vergleich mit anderen Hochschulen, recht gut da. Der Austausch und die Gespräche waren auf jedem Fall inspirierend und eine Reise wert.
[1] Eindrücklich findet man das z.B. in diesem Video demonstriert. Als Alternative zur kommerziellen Lösung, die nicht ganz billig ist, kann man sich ein Lightboard relativ einfach auch selbst bauen.
[2] Die Uni-Freiburg untersucht bereits im Forschungsprojekt MARBLE (Mixed and Augmented Reality in Blended Learning Environments) in Kooperation mit der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen (HFU) und dem Fraunhofer IPM in Freiburg, wie derartige Bildtransformationsverfahren intelligent für die raum- und objektbezogene Hochschullehre eingesetzt werden können. In diesem Kontext war es interessant, selbst erfahren zu können, was technisch bereits realisierbar ist.
[3] Der ILIAS-Verein sichert die Nachhaltigkeit der Lernplattform ILIAS. Zentrale Aufgaben sind die strategische Entwicklung der Plattform, die Koordination der Softwareentwicklung, die Prozessgestaltung und Qualitätskontrolle, aber auch das Organisieren von Community Events, die es ermöglichen, dass Anwender*innen sich austauschen können, Bedarfe gemeinsam bündeln können und vom gegenseitigen Know-How profitieren. Als institutionelles Mitglied zahlt die Uni Freiburg einen jährlichen Mitgliedsbeitrag und leistet damit einen Beitrag, um die Nachhaltigkeit der Lernplattform zu gewährleisten. Darüber hinaus werden seitens der Abteilung E-Learning regelmäßig sogenannte „Feature Requests“ eingebracht und deren Umsetzung z.B. aus Projektmitteln (mit-)finanziert. Feature Requests sind Vorschläge zur Weiterentwicklung der Plattform, um z.B. deren Usability zu verbessern oder erweiterte Funktionalitäten zu integrieren, die die Umsetzung von bestimmten didaktischen Szenarien ermöglichen.