Freiburg, 24.10.2024
Wissenschaftler*innen der Universität Freiburg haben untersucht, was unmittelbar nach einem Schlaganfall in der Stammzellnische, der sogenannten subventrikulären Zone, von Mäusen passiert. Dabei fanden sie einen Mechanismus, der dazu führt, dass nach Schlaganfällen nur wenige neue Nervenzellen aus der Stammzellnische überleben. Dadurch ist die neurogene Reaktion der subventrikulären Zone zur Reparatur des Gehirns sehr begrenzt. Dieses grundlegende Verständnis der zellulären Abläufe im Gehirn könnte zukünftig dabei helfen, körpereigene Reparaturen abgestorbener Nervenzellen zu fördern und damit die Folgen von Schlaganfällen zu lindern.
Im gesunden Gehirn entstehen in der Stammzellnische von Nagetieren, der sogenannten subventrikulären Zone (SVZ), laufend neue Nervenzellen. Diese könnten helfen, ein Gehirn zu reparieren, das durch Erkrankungen des zentralen Nervensystems geschädigt ist. Nachdem ein Gehirn verletzt wurde, reagiert die SVZ indem sie neugeborene Neurone bildet, die in Richtung des Läsionsbereichs migrieren und dort für Zellersatz sorgen könnten. Doch nach einem Schlaganfall funktioniert die körpereigene Reparatur, die neurogene Reaktion aus der SVZ, nur sehr begrenzt. Wissenschaftler*innen um Prof. Dr. Christian Schachtrup, Professor am Institut für Anatomie und Zellbiologie an der Universität Freiburg, und seine ehemalige Doktorandin Dr. Suvra Nath, haben untersucht, welche Mechanismen dieser begrenzten Reaktion zur Reparatur des Gehirns zugrunde liegen.
Die Vaskulatur, also das System der Blutgefäße der SVZ, wird bei einem Schlaganfall durchlässiger. So gelangt unter anderem das Protein Fibrinogen in die Stammzellnische, das wiederum die lokalen Mikrogliazellen beeinflusst. Diese Immunzellen des Zentralen Nervensystems werden durch die Veränderungen in der Stammzellnische sofort aktiviert, woraufhin der Zellzyklus der neuralen Stammzellen zum Erliegen kommt und neugeborene Neurone absterben. „Die SVZ Stammzellnische ist ein fragiles System. Mikroglia, die Abwehrzellen des Gehirns, sind ein integraler Bestandteil der charakteristischen SVZ-Mikroumgebung und steuern das Verhalten der neuralen Stammzellen. Diese Interaktionen in der Stammzellnische sind nach einem Schlaganfall gestört“, erklärt Schachtrup.
Dass die Interaktion zwischen aktivierten Mikroglia und neuralen Stammzellen in der SVZ die neurogene Reparatur negativ beeinflusst, legt auch die Gegenprobe nahe: ein Wiederherstellen der ursprünglichen SVZ- Mikroumgebung erhöht die von dort ausgehende neurogene Reparatur wieder. Genauso überleben mehr neugeborene Neurone in der SVZ, wenn die aktivierten Mikrogliazellen dort reduziert werden.
SVZ Stammzellnische nach Schlaganfall: Nach einem Schlaganfall führt die veränderte Stammzellen-Nischenumgebung zu einer schnellen Aktivierung der Mikroglia (grau) und deren veränderter Interaktion mit neuralen Stammzellen (grün). Dies führt zum Zelltod der neugebildeten Neurone in der Stammzellnische und einem stark reduzierten endogenen Reparaturprozess für die Schlaganfallregion.
„Mit dem besseren Verständnis der zellulären Abläufe kommen wir dem Ziel näher, die körpereigene Reparatur des Gehirns zu fördern.“
Die beschriebenen Prozesse beginnen bereits kurz nach einem Schlaganfall. Um sie zu verstehen, sind die Forschenden auf Mausmodelle angewiesen. Im menschlichen Gehirn ist die SVZ ebenfalls vorhanden, in der im ersten Lebensjahr Neurone entstehen. Anschließend ruht diese Zellproduktion bei Menschen. Die Wissenschaftler*innen halten es für möglich, dass diese Produktion einmal durch medizinische Eingriffe wieder in Gang gesetzt werden könnte. „Wenn wir die Mechanismen verstehen, wie die neuralen Stammzellen differenzieren und wie extrazelluläre Faktoren die Entwicklung neuer Nervenzellen beeinflussen, kommen wir dem Ziel näher, die körpereigene Reparatur des Gehirns bei Krankheiten des Zentralen Nervensystems zu fördern“, sagt Schachtrup. In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden Interaktionen zwischen Mikrogliazellen und neuralen Stammzellen in humanen Organoiden untersuchen. Mit dieser Methode nähern sie sich dem Ziel, vergleichbare Prozesse im menschlichen Gehirn zu verstehen.