Siegelement der Uni Freiburg in Form eines Kleeblatts

Wozu Kirchenrecht?

CICs in einem Bücherregal

Was ist Kirchenrecht?

Nach katholisch-kirchlichem Selbstverständnis hat Christus seine Kirche auf Erden als sichtbares Gefüge errichtet und geordnet. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und die mit himmlischen Gaben beschenkte geistliche Gemeinschaft, die „sichtbare“ und die „unsichtbare“ Kirche bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die Kirche Jesu Christi, die nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils verwirklicht ist in der katholischen Kirche. Sie ist kraft göttlicher Anordnung als Glaubensgemeinschaft zugleich Rechtsgemeinschaft. Wie jede andere Vergemeinschaftung von Menschen bedarf sie einer Ordnung, die das Miteinander ihrer Glieder regelt. Das Kirchenrecht legt diese Ordnung fest. Die rechtliche Setzung geschieht dabei nicht willkürlich, sondern ist Ausdruck bestimmter theologischer Entscheidungen und Vorgaben des Gesetzgebers, ist in die Rechtssprache übersetzte, geronnene Theologie, vor allem: geronnene Ekklesiologie.

Kirchliches Recht hat eine dreifache Funktion: es regelt und ordnet das Zusammenleben in der Kirche; es schützt die Gemeinschaft der Gläubigen und ihre Glieder vor Rechtsverletzungen und gewährleistet den Bestand der kirchlichen Ordnung; vor allem aber hat es eine heilsmittlerische Funktion: Es dient dem Heil der Seelen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss, und ist somit Ausdruck konkreter Seelsorge.

Und Kirchenrechtswissenschaft?

Die Kirchenrechtswissenschaft befasst sich mit der methodischen Darstellung des Rechts. Ihre Aufgaben sind vielfältig. Sie sammelt und ordnet den Rechtsstoff. Bezogen auf konkrete Einzelfragen stellt sie die maßgeblichen Quellen zusammen, bestimmt deren rechtlichen Charakter und ermittelt deren Verbindlichkeit. Eine zentrale Aufgabe ist die Auslegung des Gesetzes, das heißt das richtige, sachgerechte Erfassen des normativen Gehalts rechtlicher Bestimmungen unter Zuhilfenahme vorgegebener Interpretationsregeln. Mit der zutreffenden Auslegung der Normen schafft die Kirchenrechtswissenschaft die Voraussetzung für die angemessene Anwendung des geltenden Rechts im kirchlichen Alltag. Funktionsträger in kirchlicher Verwaltung oder Gerichtsbarkeit müssen die kirchenrechtliche Methodik kennen und beherrschen. Schließlich arbeitet die Kirchenrechtswissenschaft auch an der Rechtsschöpfung mit: Rechtsanwendung und wissenschaftliche Diskussion zeigen etwaige Spannungen, Widersprüche oder Lücken in der Gesetzgebung auf und tragen dadurch bei zur Neuformulierung einzelner Normen oder zur Überarbeitung ganzer Rechtsmaterien.

Die Beschäftigung mit der kirchlichen Rechtsgeschichte ist ein eigenes kirchenrechtswissenschaftliches Forschungsgebiet. Untersucht wird die kanonistische Tradition in ihrer Bedeutung für das geltende Recht, erforscht werden rechtshistorische Zusammenhänge und die grundlegenden Einsichten, die sich daraus für das kirchliche Recht ergeben.

Als theologische Disziplin fragt die Kirchenrechtswissenschaft nach den theologischen und rechtsgeschichtlichen Grundlagen kirchlicher Rechtssetzung und setzt sich kritisch auseinander mit der Umsetzung theologischer Einsichten und Aussagen in eine rechtliche Sprache. Dazu werden die Entwürfe, Erkenntnisse und Ergebnisse der übrigen theologischen Fächer einbezogen. Als rechtswissenschaftliche Disziplin bedient sich die Kirchenrechtswissenschaft (auch) der juristischen Methode.

Warum Kirchenrecht im Studium?

In der universitären Lehre werden die Studierenden mit dem kirchlichen Recht vertraut gemacht. Sie sollen, wie es die Deutsche Bischofskonferenz in der Rahmenordnung für die Priesterbildung formuliert, „ein theologisch fundiertes und rechtlich orientiertes Verständnis der Kirche erhalten […] und befähigt werden, die kirchenrechtliche Relevanz konkreter Sachverhalte zu erkennen und zu werten“ (71). Das Studium vermittelt jene grundlegenden Kompetenzen im Umgang mit dem Recht, die erforderlich sind, um das erworbene kanonistische Fachwissen in der späteren beruflichen Praxis auf konkrete kirchenrechtliche Problemstellungen anzuwenden und diese angemessen zu lösen.

Die kirchenrechtlichen Lehrveranstaltungen sollen dazu befähigen, die reale Ordnungsstruktur der katholischen Kirche zu verstehen. Die Studierenden können auf dieser Grundlage realistisch die rechtlichen Rahmenbedingungen beurteilen, unter denen sie später ihre angestrebte Berufstätigkeit im Dienst der Kirche auszuüben haben. Sie begreifen, dass die geltenden Normen nicht Ausdruck willkürlicher Rechtsetzung sind, sondern die rechtliche Umsetzung bestimmter – nämlich vom obersten Lehramt der Kirche favorisierter – theologischer Konzepte und Grundsatzentscheidungen. Ihnen kann deutlich werden, dass kirchliches Recht sich nur in dem Maße ändern kann, in dem die zugrundeliegenden theologischen Voraussetzungen modifiziert werden können und tatsächlich modifiziert werden.

Im Mittelpunkt der curricularen kirchenrechtlichen Lehrveranstaltungen stehen die theologischen Grundlagen und Grundbegriffe des Kirchenrechts, die rechtliche Verfasstheit der Kirche, das Sakramentenrecht und insbesondere das Eherecht, das kirchliche Lehrrecht und das rechtliche Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der Bundesrepublik. Wahlveranstaltungen zu Spezialthemen wie dem Vermögensrecht, dem Prozessrecht oder dem kirchlichen Arbeitsrecht sowie zu aktuellen kirchenrechtlichen Fragestellungen ergänzen das Lehrangebot. Regelmäßig werden interdisziplinäre Seminare angeboten, sowohl in Zusammenarbeit mit anderen theologischen Disziplinen als auch fakultätsübergreifend mit Vertretern der rechtswissenschaftlichen Fakultät.

Besonderer Wert wird darauf gelegt, die Bedeutung des Kirchenrechts in der Praxis des kirchlichen Alltags anschaulich zu machen. Sooft wie möglich werden in die Gestaltung der Lehrveranstaltungen Anwender des Kirchenrechts einbezogen, insbesondere Mitarbeiter der kirchlichen Verwaltung und der kirchlichen Gerichte.