Siegelement der Uni Freiburg in Form eines Kleeblatts

Geschichte des Seminars

Die Abbildung zeigt die Westseite des Kollegiengebäudes I der Albert-Ludwigs-Universität, an der Stirn des Bogens, der die Aula aus der Fassade hervorhebt. In vergoldeten Antiqua-Buchstaben, die in den Stein eingeschnitten sind, steht der Spruch ‚Die Wahrheit wird euch frei machen‘, der durch seine hervorgehobene Stellung eine Devise für das geistige Leben der Universität darstellt.

Das Musikwissenschaftliche Seminar der Universität Freiburg blickt auf eine lange und wechselreiche Geschichte historischer Musikforschung zurück. Die Gründung des Instituts erfolgte 1920 durch die Berufung Willibald Gurlitts auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Musikwissenschaft. Den Schwerpunkt bildete zunächst die Erforschung von Komponisten und Werken der Renaissance und des Barock. Musikforschung und Musikpraxis waren für Gurlitt untrennbar miteinander verbunden und so setzte er mit dem von ihm gegründeten Collegium Musicum neue Maßstäbe für die Aufführung der Musik des Mittelalters. Zusammen mit dem Ludwigsburger Orgelbauer Walcker konzipierte und baute er 1921 die „Praetoriusorgel“ nach Angaben aus Michael Praetorius’ Organographia (1619). Das vielgerühmte und vielbesuchte Instrument wurde zu einem der maßgeblichen Anstöße der „Orgelbewegung“. Im zweiten Weltkrieg wurde die Orgel jedoch zerstört und 1955, historisch konsequenter als die Vorgängerin, in mitteltöniger Stimmung wiederaufgebaut. Gurlitt selbst wurde 1937 seines Lehrstuhls enthoben, weil er mit einer Jüdin verheiratet war, konnte jedoch weiterhin publizieren. Er wurde 1945 zurück auf den Lehrstuhl nach Freiburg berufen und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1958. In diese Zeit fallen die „Wiederbelebung“ der Zeitschrift Archiv für Musikwissenschaft, die Neuaflage des Riemannschen Musiklexikons und der Arbeitsbeginn am Handwörterbuch der musikalischen Terminologie.

1961 folgte Hans-Heinrich Eggebrecht als ordentlicher Professor auf Gurlitts Lehrstuhl. Eggebrecht war als Herausgeber und Hauptschriftsteller maßgeblich an der Entstehung und Veröffentlichung des Handwörterbuchs der musikalischen Terminologie beteiligt, das erst 6 Jahre nach seinem Tod 1999 abgeschlossen werden konnte. Sein 1991 erschienenes Buch Musik im Abendland ist eine der meistgelesenen und meistdiskutierten einführenden Gesamtdarstellungen. Zeit seines Lebens verschwieg und vertuschte Eggebrecht seine Rolle im zweiten Weltkrieg, vor allem die Mitgliedschaft in der Feldgendarmerie-Abteilung 683, die im Dezember 1941 zu einem Massaker an über 5000 Menschen aus Simferopol herangezogen wurde. Durch die erst in den letzten Jahren begonnene, intensive Beschäftigung mit der Frage, inwieweit Eggebrecht an diesen Gräueltaten beteiligt war und inwiefern auch sein Denken vom Nationalsozialismus beeinflusst war, wird sein musikwissenschaftliches Werk erneut untersucht, historisch kontextualisiert und kontrovers diskutiert. Der „Fall Eggebrecht“ verdeutlicht in drastischer Weise die Ambivalenzen und Ambiguitäten bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Fach- und Institutsgeschichte. Diese Auseinandersetzung ist für unser Fach gleichermaßen Verpflichtung und Herausforderung.

Neben Eggebrecht wirkte auch Rolf Dammann (1929–2012), der von 1979 bis zu seinem Ruhestand 1995 eine zweite Professur am Seminar innehatte. Sein Buch Der Musikbegriff im deutschen Barock wurde zu einem international anerkannten Klassiker. Dammanns Forschungsprofil erstreckte sich von der Spätrenaissance bis zur Zeit der Wiener Klassik.

Auf Eggebrecht folgte 1988 Hermann Danuser. In seiner „Freiburger Zeit“ war er Mitherausgeber der Zeitschrift Musiktheorie und trat als Nachfolger von Carl Dahlhaus die Herausgeberschaft des Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft an. Den Schwerpunkt seiner Forschung bildete die Musik des 18. bis 20. Jahrhunderts.

Nachdem Hermann Danuser 1993 einem Ruf an die Humboldt-Universität zu Berlin gefolgt war, wurde zunächst Konrad Küster mit der Vertretung des Freiburger Lehrstuhls betraut, bevor 1995 Christian Berger auf diesen berufen wurde. Berger, der 2020 in den Ruhestand trat, beschäftigte sich vor allem mit der Musiktheorie des Spätmittelalters sowie der Musik des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Christoph Wolff war er seit 2004 Herausgeber der Reihe Voces. Freiburger Beiträge zur Musikwissenschaft.

Die Nachfolge Bergers übernahm zum Sommersemester 2020 Konstantin Voigt. In der Zeit seines Freiburger Wirkens fiel die konzeptionelle und personelle Finalisierung des Freiburger Forschungs- und Lehrzentrum Musik (FZM). Dazu gehört auch die Etablierung der Fachrichtung Ethnomusikologie am Seminar (vertreten durch Salah E. Maraqa). Damit sind am FZM sämtliche musikwissenschaftiche Fachrichtungen vertreten. Im Bereich seines Fachgebietes setzte sich Voigt für die Mittelalterforschung ein, die in der Musikwissenschaft durch die noch junge Verfügbarkeit digitaler Quellen und Hilfsmittel eine völlig neue Bedeutung erlangt hat. Zum Wintersemester 2024/25 wurde er auf den Lehrstuhl für Musikwissenschaft II am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg berufen.

Seit 1995 hat Konrad Küster die zweite Professur am Seminar inne. Küsters Forschungen umfassen das Musikverständnis in der lutherischen Theologie, die italienische Vokalmusik des 16./17. Jahrhunderts, die norddeutsch-dänische Musikkultur, die Orgelkultur Nordmitteleuropas sowie Schütz, Bach, Mozart und die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu diesen Themen hat er zahlreiche bedeutende Publikationen verfasst.