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Forschung

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Higgs Physik mit dem ATLAS Experiment

Die Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012 durch die ATLAS und CMS Experimente am Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf stellt eine außergewöhnliche Leistung der Teilchenphysik dar. Als Skalarteilchen, d.h. als Teilchen ohne Spin, ist das Higgs-Boson einzigartig und unterscheidet sich konzeptionell und praktisch von allen anderen Elementarteilchen. Es sitzt im Herzen der Standardtheorie der Teilchenphysik, dem Standardmodell: 15 der 19 freien Parameter der Theorie sind in der einen oder anderen Art und Weise mit dem Higgs-Boson verbunden. Das Higgs-Boson koppelt direkt an alle massenbehafteten Teilchen des Standardmodells mit einer Stärke die proportional zu deren Mass ist. Diese besonderen Eigenschaften, gepaart mit der zentralen Rolle des Higgs-Bosons, machen detaillierte
Messungen seiner Eigenschaften von entscheidender Bedeutung.

Seit beginn der Datennahme mit dem ATLAS Experiment konnten die Kopplungen des Higgs-Bosons an die Fermionen der dritten Generation, sowie die massiven Eichbosonen, gemessen werden. Die Kopplungsstärken stimmen innerhalb der Messunsicherheiten von 10-20% mit den Vorhersagen des Standardmodells überein. Über die Kopplungsstärken zu den Fermionen der ersten und zweiten Generation können bisher nur wenige Aussagen getroffen werden.

  • The Higgs boson, ten years after its discovery [link]
  • The Higgs boson turns 10 [link]

Eine der großen offenen Fragen der Higgs Physik ist, ob das Higgs-Boson mit sich selber wechselwirkt. Diese Wechselwirkung wird im Standardmodell vorhergesagt, konnte aber im Experiment bisher noch nicht gemessen werden. Die Stärke dieser Wechselwirkung ist intrinsisch mit dem Mechanismus der Massengeneration der Elementarteilchen verbunden, und daher ist es wichtig nach dieser Selbstkopplung zu suchen. Viele Theorien, die einige der Probleme des Standardmodells lösen, sagen unterschiedliche Selbstkopplungstärken vorher.

Die beste Methode, experimentell Zugang zur Higgs-Boson Selbstkopplung zu bekommen sind Suchen nach Higgs-Boson Paarproduktion, für welche ein Beispiel Feynmandiagramm nachfolgend dargestellt ist:

Die Higgs-Boson Selbstkopplung ist hier in rot eingefärbt und mit dem linearen Kopplungsstärkenmodifikator 𝜅λ versehen, der die gemessene Stärke relativ zur Standardmodellvorhersage parameterisiert. Im Standardmodell gilt 𝜅λ = 1.

Da das Higgs-Boson kein stabiles Teilchen ist, sondern im Detektor sofort in andere Teilchen des Standardmodells zerfällt, muss es über diese Zerfallsprodukte rekonstruiert werden. Eines der besten Zerfallskanäle für Suchen nach Higgs-Boson Paarproduktion ist der Endzustand mit zwei b-Quarks und zwei tau-Leptonen: HH→bb𝜏𝜏. In der Suche nach HH→bb𝜏𝜏 muss ein winziges Signal von einer Unmenge an Untergrundprozessen, die im Detektor ähnliche Signaturen hinterlassen wie das Signal, getrennt werden. Hierfür werden moderne Methoden des maschinellen Lernen verwendet.

Mit den Proton-Proton Kollisionsdaten, die von 2015 bis 2018 während der zweiten Operationsperiode des LHCs (Run 2) genommen wurden, konnte noch kein signifikantes Signal detektiert werden. Allerdings konnte man mit den Daten Selbskopplungen mit Stärken von < 3.1 oder > 9.1 Mal der Standardmodellvorhersage ausschließen:

Die Suche nach Higgsbosonpaarproduktion am ATLAS Experiment geht weiter. Seit 2022 läuft der LHC wieder mit höherer Schwerpunktsenergie und höherer Intensität. Der größere Datensatz, der in diesem Run 3 genommen wird, zusammen mit algorithmischen Verbesserungen in der Datenanalyse, sollten es ermöglichen, erste Hinweise auf die Higgs-Boson Paarproduktion zu bekommen.

  • Two Higgs bosons are better than one [link]