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Sabrina Livanec

“Ich mag meine Arbeit und außerdem finde ich es wichtig, meiner Tochter zu vermitteln, dass ihr grundsätzlich keine Grenzen gesetzt sind. Aber vielleicht […] ist diese Erkenntnis sogar noch ein bisschen wichtiger für unseren Sohn.“

Autorin:

Clara Kisser studiert Liberal Arts and Sciences im Hauptfach Governance am University College Freiburg. Dabei interessiert sie sich besonders für feministische Philosophie, politische Theorie, und den Einfluss von Technologien auf die Gesellschaft und Demokratie. Gerne würde sie ewig weiterstudieren, um diese Interessen noch mehr zu vertiefen – auch wenn im nächsten Semester die Bachelorarbeit nun wirklich mal ansteht. In ihrer Freizeit zeichnet und malt sie gerne, während nebenbei britische Krimis laufen.


Roboter auf Halbdistanz: Sabrina Livanec im Portrait

Ich treffe Sabrina Livanec an ihrem Arbeitsort, im Gebäude „Intelligent Machine-Brain Interfacing Technology“ (IMBIT), dem Sitz des Zentrums BrainLinks-BrainTools. Das IMBIT liegt auf dem Campus Flugplatz, der vornehmlich durch die Technische Fakultät genutzt wird. Die Welt der Technischen Fakultät und des IMBIT scheint voller Innovation und Fortschritt zu sein – die Gebäude sind neu und schick, alles hat seinen Platz.

Mein Gespräch mit Sabrina gleicht ihrer Arbeit – wir setzen uns nicht an einen Ort und bleiben dort, sondern erkunden gemeinsam die verschiedenen Räume und die verschiedenen Tätigkeiten, denen Sabrina nachgeht. Sie führt mich zuerst in das NEXUS Lab, einem der zentralen Orte ihrer Arbeit. Es ist nach NEXUS Experiments benannt, einer bei BrainLinks-BrainTools angesiedelten Plattform für teilhabeorientierte Wissenschaftsvermittlung und Community-basierte partizipative Forschung. Sabrina leitet NEXUS gemeinsam mit Phillipp Kellmeyer. Thematisch deckt die Plattform die Bereiche Neurotechnologie, Künstliche Intelligenz, Robotik und ganz allgemein Mensch-Technik-Interaktion ab. An den Wänden des NEXUS Lab hängen Bilder vergangener Projekte, von denen Sabrina mir erzählt. Zum Beispiel hängen dort Fotos vom BMBF-geförderten Projekt „Stadtwandforschung: Künstliche Intelligenz und Streetart“, in dessen Rahmen großformatige Wandbilder, sog. Murals, an Gebäuden im Freiburger Stadtgebiet, also im öffentlichen Raum, von Künstler*innen und Wissenschaftler*innen in einem ko-kreativen Prozess gestaltet wurden. Sabrina führt aus, dass in solchen Formaten an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst die Wurzeln der Plattform lägen und auch weiterhin ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit sind. So veranstaltete NEXUS im vergangenen Juli das zweitägige Festival „Data Wonderland“, bei dem sich die Besucher*innen auf spielerische und kreative Weise mit der Nutzung von Gesundheitsdaten auseinandersetzen konnten. In Zukunft wird NEXUS aber verstärkt auf Citizen Science und vor allem Community-basierte partizipative Forschung setzen.

Das Ziel ist, unterschiedliche Anspruchsgruppen – Forscher*innen, Entwickler*innen, Designer*innen aber vor allem auch Bürger*innen – im Rahmen von Mini-Reallaboren ins Gespräch zu bringen. Dabei geht es vor allem um den Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Nicht-Wissenschaftler*innen. Denn im Idealfall könnten beide Seiten einiges voneinander erfahren, meint Sabrina. So wird Menschen, die vielleicht nicht viel mit Technologie oder der Wissenschaft zu tun haben, die Möglichkeit gegeben, sich niedrigschwellig mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig profitieren Forschende davon, dass sie die Ansichten, Bedenken und Probleme von potenziellen Endnutzer*innen besser verstehen können.

Nach dem NEXUS Lab kommen wir in die nebenan gelegene Roboterhalle, die Bezüge zu Sabrinas zweitem Tätigkeitsfeld aufweist. Neben der Projektleitung von NEXUS Experiments arbeitet sie nämlich an einer Promotion in der Psychologie. Auch wenn sie hier aus einer anderen Perspektive auf die Themen blickt, verbindet sich die Arbeit an der Promotion sehr gut mit den NEXUS-Projekten. „In der Arbeitsgruppe von Andrea Kiesel habe ich die Möglichkeit, an der Entwicklung einer neuen Methode, dem Cognitive-Affective Mapping, mitzuarbeiten, die sich ganz hervorragend im Kontext Community-basierter Forschung einsetzen lässt und mit der wir z.B. untersuchen können, welche Eigenschaften bestimmte Technologien, beispielsweise soziale Roboter, haben müssen, um von unterschiedlichen Anspruchsgruppen akzeptiert und genutzt zu werden.“

Ursprünglich hat Sabrina einen geistes- und wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Für die Entwicklung innovativer und experimenteller Ansätze zur Vermittlung dieser Themen sieht Sabrina diesen Blick aus einer Halbdistanz als Vorteil an. Die dafür erforderliche Neugier strahlt sie auf jeden Fall aus. Manchmal müssten sie und ihre Kolleg*innen erklären, wieso ihre Arbeit eigentlich wichtig sei. Aber bei allen Hürden, die dieses auf Transdisziplinarität ausgerichtete Arbeiten mit sich bringt, ist Sabrina ihre große Begeisterung deutlich anzumerken. Sie schätzt insbesondere die Freiräume für die Umsetzung von Ideen, die auf den ersten Blick abseitig wirken – wie beispielsweise die Umsetzung der NeuroOper, einem Gemeinschaftsprojekt der Community Oper Freiburg in Kooperation mit Forschenden von BrainLinks-BrainTools.  

Sabrina erzählt viel über Ihre Arbeit, zeigt mir konkret, welche Projekte es im Rahmen von NEXUS Experiments gab, und wie der Versuchsaufbau für ihre Forschung in der Psychologie aussieht. Dabei geht es eher weniger um sie als Person – die Arbeit spricht für sich. Als wir die Roboterhalle verlassen und Sabrina mir weitere Bereiche des IMBIT zeigt, erzählt sie mir auch, dass sie privat kaum Social Media nutze oder sonst im Internet präsent sei. Es sei also nicht verwunderlich, dass ich im Vorfeld nicht viel über sie gefunden habe. So scheint es mir, dass es ihr auch lieber ist, wenn ihre Arbeit ihre Geschichte erzählt.

Ähnlich zurückhaltend ist sie auch hinsichtlich der Fragen rund um das Frau-Sein in der Wissenschaft. „Ehrlich gesagt gruselt es mich ein bisschen bei der Formulierung ‚Frau-Sein in der Wissenschaft‘“, erklärt sie schmunzelnd und fährt fort: „Ich möchte eigentlich nicht, dass das irgendeine Rolle spielt und finde es deshalb auch nicht erwähnenswert, dass ich eine Frau bin“. Gleichzeitig ist ihr sehr deutlich bewusst, dass es eben doch oft eine Rolle spielt. „Im Bereich Gleichstellung tut sich viel, aber es ist eben doch noch ein weiter Weg.“ Und natürlich werde ihr immer wieder bewusst gemacht, dass sie eine Frau ist, z.B. wenn sie – was regelmäßig vorkomme, wenn auch nicht unbedingt im Kontext der Uni – gefragt werde, warum sie Vollzeit arbeite. Sie sei doch schließlich Mutter zweier Kinder. „Ebendarum!“, würde sie manchmal am liebsten erwidern. „Auch wenn es manchmal nicht einfach ist, ziehe ich das durch. Ich mag meine Arbeit und außerdem finde ich es wichtig, meiner Tochter zu vermitteln, dass ihr grundsätzlich keine Grenzen gesetzt sind. Aber vielleicht“, fügt sie hinzu, „ist diese Erkenntnis sogar noch ein bisschen wichtiger für unseren Sohn.“