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Jasmin-Clara Bürger


Autorin:

Ida Kaever studiert Liberal Arts and Sciences mit dem Schwerpunkt Culture and History an der Uni Freiburg. Man könnte sagen, die Analyse hat es ihr angetan. So verbringt Ida einen freien Tag gern im Museum oder mit einem Buch. Außerdem hat sie sich einen Job im Kino gesucht, bei dem es viel zu deuten gibt (manchmal Filme, manchmal auch die Gäste). Und falls dir mal ein Fun Fact entfallen ist, kann es gut sein, dass Ida ihn aufgehoben hat – für ihre stetig wachsende Sammlung. 

„Wenn man nur einen Parameter ändert, sieht das Ergebnis ganz anders aus.“

Im Institut für Mikrosystemtechnik an der Technischen Fakultät Freiburg öffnet Jasmin-Clara Bürger, Postdoc seit 2023, eine Schublade. Zum Vorschein kommt eine Dose, in der Plättchen, Bürgers Proben, ordentlich sortiert nebeneinander liegen. Eine der Proben fällt ins Auge, sie ist grün, die linke obere Ecke ist violett gefärbt, was wirklich schön aussieht. Doch geht es hier nicht um den ästhetischen Wert irgendwelcher bunter Plättchen. Bürger forscht aktuell an sogenannten Dünnfilmen, also Materialschichten mit einer Schichtdicke, die im Nanometerbereich liegt. Das heißt die Materialien, mit denen Bürger arbeitet, haben eine Größe von ein Milliardstel Meter, 10.000-mal feiner als ein menschliches Haar. Die Farbe der Proben im Labor ändert sich je nach Schichtdicke des Dünnfilms. Doch was macht diese Materialien so besonders?

Auf der Nanoskala haben Materialien ganz andere Eigenschaften, als sie im größeren Zustand haben. Dieser Vorgang fasziniert Bürger. „Man kann dann auf einmal aus einem ganz normalen Material ein hochfunktionales Material machen, das unglaublich tolle Eigenschaften zum Beispiel für Sensoren hat. Als Fasern, sogenannte Nanodrähte, können diese Materialien auch viel Energie speichern und eine hohe Akkulebensdauer ermöglichen.“

Sobald die Sprache auf Nanodrähte, ihr Promotionsthema, kommt, wirkt Bürger enthusiastisch. Sie interessiert sich vor allem für Kristallgitter. In einem Kristallgitter sind die Atome in einer ganz bestimmten Weise angeordnet, die sich wie ein unendliches Muster in alle drei Raumdimensionen wiederholt. In Bürgers Forschung ist es essentiell, die Kristallinität von Materialien zu untersuchen und zu kontrollieren, denn diese beeinflusst auch das Verhalten der Materialien in späteren Bauteilen. Die Nanodrähte, die sie während ihrer Promotion untersuchte, waren einkristallin und hatten ein nahezu defektfreies Kristallgitter. Durch die Wahl des Substrats konnte sie die Kristallorientierung und Geometrie der Nanodrähte beeinflussen. Die Wahl des Substrats ist ein Beispiel dafür, wie es Wissenschaftler*innen durch eine präzise Prozesskontrolle gelingt, die Materialeigenschaften von Nanomaterialien gezielt zu steuern. „Wenn man nur einen Parameter ändert, sieht das Ergebnis ganz anders aus.“, sagt Bürger. Daher kommt es darauf an genau zu beobachten und die Prozesse zu verstehen. Besonders ist für Bürger vor allem dieser eine Moment: „wenn ich jetzt diesen Parameter in die eine Richtung verändere, dann sollte eigentlich das passieren, und man dann im Experiment sieht: genau das passiert auch.“

Solche Erkenntnisse können schließlich dazu führen, das Leben vieler Menschen zu vereinfachen. So sind beispielsweise die Antireflexbeschichtungen auf Brillengläsern ein Alltagsbeispiel für ein Produkt der Forschung an Dünnfilmen. Bürgers momentane Forschung könnte letztendlich dazu führen nachhaltige Halbleitermaterialien für Transistoren, elektrische Bauteile, zu gestalten. Wenn man Bürger zuhört, kann man sich eine Zukunft vorstellen, in der überhaupt sehr vieles nachhaltiger gestaltet wird. Eine Zukunft in der dank Nanotechnologie bessere Batterien hergestellt werden, wir nicht mehr von bestimmten Ressourcen abhängig sind, die nach und nach zur Neige gehen, kurz gesagt: die Welt eine andere ist.

Bürgers eigene Welt hat Nanotechnologie bereits verändert. Seit sie mit Dünnfilmen und Nanodrähten arbeitet, nimmt sie zum Beispiel Größenordnungen ganz anders wahr als die meisten Menschen. Ein Mikrometer ist in ihren Augen nicht unbedingt klein. Und wenn sie sich umschaut, erkennt sie überall Strukturen von Kristallen. Ein geometrisch geformter Tisch im Café gleicht dann Kristallen unterm Mikroskop. Diese Eindrücke aus dem Alltag nimmt sie mit in die Forschung.  

An die Universität Freiburg kam Bürger bereits als Schülerin im Rahmen eines Schülerstudiums. Die richtige Wahl, denn sie merkte schnell, dass ihr das Studium der Mikrosystemtechnik liegt, da es vielseitig ist und die verschiedenen MINT-Fächern vereint. Es folgten das Bachelorstudium und der Master, die Promotion, und viel Begeisterung für Nanotechnologie und die Arbeit an der Universität. Hier hat sie das Gefühl, sich frei entfalten zu können und an aktuellen Themen zu forschen, mit Menschen, die die gleiche Faszination für die Materialwissenschaft teilen. Es gibt nicht mehr diesen eine*n Wissenschaftler*in, die*der alleine in ihrem*seinem stillen Kellerlabor sitzt und bei wenig Tageslicht Formeln aufschreibt“, sagt Bürger. So stehen Wissenschaftler*innen heutzutage im regen Austausch. Man trifft sich, man bespricht aktuelle Forschungsergebnisse und inspiriert sich auch gegenseitig, erkennt vielleicht erst im Gespräch eine mögliche Forschungslücke. Das passiert nicht nur im Labor in der Arbeitsgruppe, sondern auch auf Konferenzen oder bei Forschungsaufenthalten im Ausland. So berichtet Bürger begeistert von ihrem 6-monatigen Aufenthalt am MIT in Massachusetts.

Doch ob in den USA oder in Deutschland: Fakultäten der MINT-Fächer werden in der Regel von Männern dominiert. Und auch wenn Bürger nicht das Gefühl hat, dass es Auswirkungen auf ihre Forschung oder ihren eigenen Lebensweg hatte, dass sie als Frau im männerdominierten MINT-Bereich arbeitet, erkennt sie an, dass es eine Ungleichverteilung gibt. So lehren am Institut für Mikrosystemtechnik 21 Professoren – und nur eine Professorin. Vielleicht sind es die fehlenden Vorbilder, die dazu führen, dass sich deutlich weniger Frauen als Männer für diesen Karriereweg entscheiden. Doch es gibt sie, die Frauen in verschiedenen Karrierestufen an der Uni – auch im MINT-Bereich. Sie arbeiten als Doktorandin, als Postdocs, als Professorin. „Daher ist es wichtig, dass man durch diese Kampagne Frauen sichtbar macht“, sagt Bürger. Gerade in der Grundlagenforschung in Bereichen wie der Nanotechnologie gäbe es noch so viel Unbekanntes zu entdecken und neue Möglichkeiten zu erforschen, sagt sie. Daher wäre es toll, wenn in Zukunft mehr Frauen in der Nanotechnologie Fuß fassen würden. Bleibt nur die Frage: welche Parameter müssen wir ändern, um dieses Ergebnis zu erzielen?