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Sonja-Verena Albers

“[W]enn meine Forschung einen Beitrag für die Gesellschaft leisten sollte, wäre das zwar schön, aber das ist nicht die Triebfeder meiner Forschung. Ich forsche, weil es mich interessiert.“

Autorin:

Carla Mallmann macht momentan einen Bachelor in Life Sciences an der Universität Freiburg. Ihre Leidenschaft ist dabei vor allem die Hirnforschung und die Genetik. Neben dem menschlichen Gehirn interessiert sie sich auch für Psychologie, Geschichte und Politik. In ihrer Freizeit liest sie gerne oder geht in die Natur zum Wandern oder Schwimmen.


Der Ruf der Archaeen

„Ich bin ein Nerd, ich habe es immer geliebt zu lernen und mir neue Dinge anzueignen“, so beschreibt sich die in diesem Jahr in die „American Society for Microbiology“ gewählte Forscherin, Prof. Dr. Sonja-Verena Albers selbst. Ihre Leidenschaft sind Archaeen, die wohl unbekanntesten Lebensformen auf diesem Planeten. Dabei haben viele von ihnen extreme und faszinierende Lebensweisen. Manche dieser Mikroorganismen wachsen bei fast 100°C, andere leben in hoch konzentrierter Schwefelsäure und wieder andere gedeihen in den sauerstoffarmen Tiefen des Ozeans. Auf den ersten Blick ähneln sie Bakterien, aber bei genauerem Hinschauen sind sie unseren Zellen viel ähnlicher. Die Forschung zeigt mittlerweile, dass das eukaryotisches Leben – also Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen – wahrscheinlich von Archaeen abstammt. Sonja-Verena Albers widmet ihre Forschung voll und ganz diesen Lebewesen.

Schon in der Schule wurde ihre Leidenschaft für Biologie geweckt. Ihre Mutter versuchte ihr eine Banklehre nahezulegen. Doch Sonja Albers wusste immer, dass sie Biologie studieren würde, um dann in die Forschung zu gehen. Ihre Diplomarbeit verfasste sie am Max-Planck-Institut für Biochemie in München bei Wolfram Zillig, einem der bekanntesten Archaeenforscher. Seitdem brennt sie für diese Lebensformen: „Ich möchte alles über diese Wesen erfahren, was es zu erfahren gibt.“ Dem Ruf der Archaeen folgend, ging es für Albers im nächsten Schritt in die Niederlande. Dort konnte sie für ihre Doktorarbeit weiter am Archaeon „Sulfolobus solfataricus“ arbeiteten, an dem sie auch heute noch forscht. Archaeenforschung ist in aller erster Linie Grundlagenforschung, da das Gebiet vergleichbar jung ist und die Kultivierung von Archaeen im Labor sich teilweise schwierig gestaltet. Die Motivation und Relevanz ihrer Forschung beschreibt die Biologin ganz einfach: „Wenn mich jemand fragt, warum meine Forschung wichtig ist, oder wer sich denn dafür interessiert, dann sage ich: mir ist das wichtig […] wenn meine Forschung einen Beitrag für die Gesellschaft leisten sollte wäre das zwar schön, aber das ist nicht die Triebfeder meiner Forschung. Ich forsche, weil es mich interessiert.“

In der Archaeenforschung ist die Wissenschaftlerin besonders für das „Archaellum“ bekannt. Manche Archaeen haben eine Struktur auf ihren Zellen, die zur Fortbewegung verwendet wird.  Da diese Struktur dem sogenannten Flagellum der Bakterien ähnlichsieht, sprachen Forscher*innen bis dahin immer vom archaealen Flagellum. Allerdings gibt es deutliche strukturelle Unterschiede zwischen den beiden, sodass sich Sonja Albers zusammen mit Ken Jarrell für eine Umbenennung in „Archaellum“ entschied. Mit den heftigen Reaktionen vieler Wissenschaftler*innen auf diese einfache Namensänderung hatte sie allerdings nicht gerechnet. Vor allem etablierte Forscher äußerten deutliche Kritik an diesem Vorhaben und eine akademische Debatte begann, die bis heute anhält.

Auf die Frage, ob sie aufgrund der Kritik Zweifel hatte, holt sie ein Zitat von Max Planck hervor, das in ihrem Büro hängt: „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in dieser Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, (…) dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht wird.“ Mittlerweile ist auch in vielen Lehrbüchern vom Archaellum die Rede. Von ihrer Forschungsgruppe bekam sie einen Pokal samt selbstgebasteltem Archaellum, der sie auch an ihre wichtige Vorbildrolle für eben diese nächste Generation erinnert. Die Debatte hat ihrer Karriere nicht geschadet, wurde Sonja Albers doch 2014 als Professorin für Mikrobiologie an die Universität Freiburg berufen. Zusätzlich zu ihrer Forschungstätigkeit und der Lehre ist die Forscherin Mitglied der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, des Senats der Universität Freiburg und nun auch Dekanin der Fakultät für Biologie – sie setzt sich gerne und viel für die Wissenschaften ebenso wie für die Menschen, die darin arbeiten ein. „Wie ich das alles unter einen Hut bringe weiß ich auch nicht, aber ich glaube, ich habe gelernt Prioritäten zu setzten. Am wichtigsten ist mir meine Forschungsgruppe also die Menschen mit denen ich hier gemeinsam forsche.“ Um nach der vielen Arbeit auch mal abschalten zu können, geht Albers gerne laufen und Rad fahren in der Natur oder sie liest norddeutsche Krimis. Zum Thema Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft sagt sie: „Ich habe mich noch nie bewusst benachteiligt gefühlt aufgrund meines Geschlechts.“ Alle Ziele, die sie in ihrer Karriere hatte, habe sie bisher immer erreicht. Im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit in der Wissenschaft habe sie aber auch beobachtet, dass das Bewusstsein für Genderfragen zugenommen habe. Mittlerweile sei es normaler, dass Frauen als Professorinnen berufen werden und das spezifisch darauf geachtet werde den Frauenanteil in der Wissenschaft zu erhöhen. Ein wichtiges Thema für sie persönlich ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Während ihrer Doktorarbeit in den Niederlanden lernte Sonja Albers ihren Mann, der ebenfalls Biologe ist, kennen; mit ihm hat sie zwei Söhne. Die beiden aufwachsen zu sehen erfüllt sie mit Stolz. Vor allem dank eines starken Netzwerks und der Unterstützung ihres Mannes, konnte die Wissenschaftlerin erfolgreich ihre Karriere mit dem Muttersein vereinbaren. Diese Erfahrung an ihre Studentinnen und Doktorandinnen weiterzugeben ist ihr wichtig: „Ich möchte ihnen zeigen, dass sie eben nicht ihr Studium und ihre Karriere aufgeben müssen, sondern dass man das schaffen kann.“ Gerade die universitäre Forschung erscheint Albers in dieser Hinsicht tatsächlich praktischer als eine Tätigkeit in der Industrie, da sie mehr Flexibilität bietet. Jungen Frauen, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft interessieren, gibt sie mit auf den Weg, sich früh ein unterstützendes Frauennetzwerk aufzubauen. Gerade bei frauenspezifischen Fragen sei die Kommunikation und Unterstützung in einer Frauengruppe oft hilfreicher. Es ist eine große Motivation für Professorin Albers, ihr Wissen über Archaeen, welches sie mit Leidenschaft und großer Freude mit ihrem Team schafft, mit anderen Wissenschaftler*innen zu teilen.