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Einblicke in das digitale Prüfen an der Universität Freiburg – Ergebnisse der Lehrenden-Befragung 2022

Die Pandemie hat der universitären Lehre einen enormen Digitalisierungsschub beschert. Innerhalb kürzester Zeit wurde digitales Lehren, Lernen und Prüfen an den Hochschulen auf- und/oder ausgebaut. Was zunächst Krisenintervention war, wurde bald auch als Chance verstanden, um technische Innovationen und didaktische Konzepte (weiter) zu entwickeln. Nun, da sich die Pandemiesituation (zumindest scheinbar) entspannt, scheint die Tendenz wieder zurück zum status quo ante zu gehen. Wie die Lehrenden darüber denken, hat die Befragung des Projekts 4D (4 Dimensions of Digital and Didactic Development, gefördert von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre) untersucht. Erste Ergebnisse finden Sie hier. Ein Teil dieser Befragung beschäftigte sich mit den Erfahrungen mit digitalem Prüfen: Wie denken Lehrende über die Möglichkeiten digitalen Prüfens? Welche Überlegungen liegen der Entscheidung für oder gegen digitale Prüfungen zugrunde? Ist digitales Prüfen für sie eine Option für die Zukunft? Im Rahmen des Projektverbunds  PePP (Partnerschaft für innovative e-Prüfungen. Projektverbund der baden-württembergischen Universitäten, gefördert von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre), der sich mit der (Weiter-)Entwicklung von innovativen digitalen Prüfungsszenarien befasst, wurden die Fragen zu E-Prüfungen aus der Lehrendenbefragung ausgewertet.

Knapp 300 Lehrende haben den Fragebogen ausgefüllt. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen (52 %) hat bereits digitale Prüfungen durchgeführt und weitere 2 % planen es für die Zukunft. Dabei waren mündliche Prüfungen über ein Videokonferenz-Tool das meist genutzte Format digitaler Prüfungen: drei Viertel derjenigen, die digitale Prüfungsformate einsetzten, haben mündliche Online-Prüfungen durchgeführt. Neben den mündlichen Online-Prüfungen können an der Uni Freiburg in fünf weiteren Formaten E-Prüfungen durchgeführt werden (siehe Werkzeugkasten digitale Lehre). Diese anderen Formate wurden allerdings deutlich weniger genutzt, am seltensten dabei die Prüfung über ILIAS-Exam unter Video-Aufsicht, wie die folgende Abbildung zeigt:

Darstellung Tabelle: Formate der genutzuten bzw. geplanten E-Prüfungen

Aber nicht alle, die digitale Prüfungen durchgeführt haben, halten das für passend für ihre Lehrveranstaltung: Während 57 % meinen, dass sie ihre Prüfungen gut in digitaler Form durchführen können, sehen 25 % das nur teilweise zutreffend und 18 % lehnen es eher oder ganz und gar ab. 37 % möchten auch in Zukunft digitale Prüfungsformate einsetzen. Das heißt also, dass nicht alle, die digitale Prüfungen für geeignet für ihre Veranstaltung halten, diese auch weiterhin nutzen möchten. Mehr Lehrende wollen digitale Prüfungen (eher) nicht mehr einsetzen, nämlich 46 %.

Wie entscheiden die Lehrenden, ob sie digitale Prüfungen einsetzen? Welche Kriterien sind dabei wichtig? Das haben die Lehrenden in ihren Antworten auf die offene Frage: „Welche Kriterien sind für Sie relevant bei der Entscheidung, ob Sie ein digitales Prüfungsformat einsetzen?“ zum Ausdruck gebracht. Sehr unterschiedliche Kriterien wurden genannt: 

Erfordernisse durch Pandemie / Regelungen

Viele Aussagen zeigen, dass die Lehrenden sich gar nicht selbst entscheiden bzw. die Entscheidung nicht bei sich selbst sehen, sondern sich der Notwendigkeit aufgrund des Pandemiegeschehens oder den Regelungen der Universität beugen. „Pandemie oder Krieg. Sonst: Präsenz!“ – „ich war gezwungen“ – „Kontaktregelungen“ waren einige Formulierungen der Lehrenden, die damit zum Ausdruck bringen, dass sie lieber Präsenzprüfungen durchgeführt hätten. Aber auch Vorgaben der Prüfungsordnungen sind hier zu nennen, wenn etwa ein Prüfungsformat vorgegeben ist, das keine digitale Prüfung ermöglicht (z.B. Hausarbeit).

Geeignetes Format

Am häufigsten genannt wurden jedoch didaktische Überlegungen. Wichtig ist den Lehrenden, dass es ein geeignetes Format für den zu prüfenden Inhalt gibt. Das können je nach Prüfungsstoff mündliche Prüfungen, Single- oder Multiple-Choice-Fragen, Open Book Exams oder die Verwendung von Medien (z.B. Videos) in Prüfungen sein; schriftliche digitale Prüfungen können für große Gruppen im Grundstudium sinnvoll sein. Wenn aber z.B. physisches Material untersucht werden muss, dann werden digitale Prüfungen für gänzlich ungeeignet gehalten.

Betrugsanfälligkeit/-sicherheit

Didaktische Überlegungen werden aber oft gegen die Täuschungssicherheit abgewogen. Wo eine adäquate Prüfungsaufsicht nicht möglich ist, werden Präsenzprüfungen vorgezogen.

Aufwand

Auch der Aufwand an Zeit und Personal spielt eine Rolle bei der Entscheidung, ob die Lehrenden digitale Prüfungen durchführen oder nicht. Das kann den durch Einarbeitung erhöhten Aufwand für das erstmalige Anwenden von digitalen Prüfungen betreffen, den erhöhten (Personal-)Aufwand für Aufsicht oder den höheren bzw. geringeren Aufwand bei der Korrektur. Dabei wird auch gesehen, dass nach anfänglich höherem Zeitaufwand die Nutzung von E-Prüfungen über einen längeren Zeitraum effektiver werden und Zeit einsparen kann.

Performance der Technik

Nicht zuletzt entscheiden auch die Möglichkeiten sowie die Performance der technischen Lösung, ob digitale Prüfungsformate gewählt werden: die Qualität und Stabilität der Übertragung, ausreichende Funktionen der Prüfungsplattform und einfache Bedienung müssen gewährleistet sein.

Als weitere Überlegungen, die bei der Entscheidung für ein digitales Prüfungsformat eine Rolle spielen, wurden Chancengleichheit  bei unterschiedlicher technischer Ausstattung und unterschiedlichen Arbeitsumgebungen der Studierenden, Unterstützung bei Auswahl des Formates und bei der Technik, Rechtssicherheit , der Wunsch der Studierenden oder ganz allgemein die Durchführbarkeit genannt.

Die Antworten der Lehrenden machen Unklarheiten und gängige Missverständnisse über digitale Prüfungen deutlich:

  • Aus vielen der Antworten geht hervor, dass die Lehrenden digitale Prüfungen mit Online-Prüfungen gleichsetzen, die nicht vor Ort an der Universität stattfinden. Das ist nicht erstaunlich, denn für viele Lehrende waren die ersten digitalen Prüfungen diejenigen, die sie in der Pandemie eingesetzt haben, und diese waren aus Infektionsschutzgründen meist Remote-Prüfungen. Digitale Prüfungen müssen aber nicht zwangsläufig Remote-Prüfungen sein. Es gab auch vor Corona schon eine Fülle an digitalen Prüfungsformaten (siehe z.B. das HFD-Arbeitspapier „Digitale Prüfungen in der Hochschule“), und diese fanden meist in PC-Pools statt: An der Universität Freiburg werden seit 10 Jahren E-Prüfungen durchgeführt, an anderen Universitäten schon deutlich länger.
  • Es ist nicht das Ziel, alle Prüfungen in ein digitales Format zu überführen. Oft entsteht der Eindruck, dass Präsenz- und Online-Prüfungen bzw. analoge und digitale Prüfungen zueinander in Konkurrenz stehen. Es geht aber nicht um ein „Entweder-oder“, sondern um ein „Sowohl-als-auch“. Der Digitalisierungs- und Innovationsschub, den die Coronapandemie ausgelöst hat, soll genutzt werden, um innovative Ansätze in nachhaltige Lösungen zu überführen.

Genau das möchte der Projektverbund PePP erreichen. Es sollen Potenziale von E-Prüfungen systematisch erschlossen und bestehende Erfahrungen breiter verfügbar gemacht werden. In Reallaboren werden technisch-didaktische Innovationen (weiter-)entwickelt und an mehreren Universitäten ausgerollt. Erreicht werden sollen eine Stärkung der Kompetenzorientierung, mehr Mobilität und Flexibilität sowie eine größere Lernendenzentrierung von Prüfungen. Übergreifende Querschnittscluster geben hochschuldidaktische Impulse, unterstützen die Qualifizierung Lehrender und reflektieren rechtliche Fragen sowie Chancengerechtigkeit, Inklusion und Akzeptanz.

Lehrende, die Fragen zu Online-Prüfungen haben oder Unterstützung bei der Durchführung ihrer Prüfungen benötigen, wenden sich bitte an e-pruefungen@rz.uni-freiburg.de.

Karin Kleinn
Projekt PePP

karin.kleinn@rz.uni-freiburg.de